Splitterfasernackt
umgehe.
Aus der Ferne höre ich das erste Donnergrollen, und ich weiß, es wird kommen, um mich einzuholen, auch wenn ich wie vom Sensenmann verfolgt über den verlassenen Friedhof flitze.
Ich schließe die Augen, lege meinen Kopf in den Nacken und blicke zum Himmel. Das leise Plätschern um mich herum verspricht mir unverfroren eine Zukunft, als wäre Wasser ein Wort. Und da wird mir schlagartig eines klar: Ich werde erst wieder ich selbst sein können, mit allem, was dazugehört, wenn mein Körper wieder ein Teil von mir ist. Also muss ich ihn zurückbekommen, um jeden Preis.
Aber wie soll ich das schaffen? Von wem hole ich meinen Körper zurück? Und wie kann ich ihn anschließend an mir befestigen? Sekundenkleber, Isolierband, Nägel, Schrauben, Heftklammern, Tesafilm oder gleich ein Schweißbrenner? Wie füge ich mich zusammen, und womit bedecke ich die verräterischen Nähte?
Ich denke sehr lange darüber nach, während ich neben dem kleinen Lietzensee auf Caitlins Grab stehe und mich nach ihren funkelnden, lagunenblauen Augen sehne und ihrem ewig wehenden Sonnenhaar. Irgendwann gelange ich schließlich zu einer annehmbaren Erkenntnis: Männer haben mir meinen Körper weggenommen. Also müssen sie ihn mir auch wieder zurückgeben.
Männer. Sie schulden mir einen Körper.
Meinen
Körper, um genau zu sein. Und tausend Entschuldigungen. Und Zärtlichkeit. Und Normalität.
Wie bekommt man von einem Mann das, was man will? Indem man für ihn das ist, was er unbedingt haben möchte, aber nicht haben kann, weil man es nur bis zu einem bestimmten Punkt ist, und dann dreht man sich um, wackelt lasziv mit dem Hintern und verschwindet. Sex. Da hören Männer auf zu denken und fangen an, krankes Zeug zu reden. Dafür bezahlen sie ein Vermögen, dafür verlassen sie ihre Frauen, begehen Morde, jetten um die halbe Welt und verkaufen ihre Seele.
Ich werde also Sex haben und dabei das perfekte Schauspiel abliefern und so viele Männer verrückt nach mir machen, dass mein schlaues Gehirn eines Tages sagt: »Okay. Jetzt ist alles wieder gut.«
Ein Körper ist nur ein Körper, und mein Körper soll der Körper sein, den alle Männer besitzen wollen, den sie aber nur dann haben können, wenn sie dafür bezahlen. Das finde ich gut. Das ist ziemlich simpel. Damit ist die Schuld beglichen. Was kann da noch schiefgehen? Und am Ende darf mein Körper wieder ein Teil von mir sein. Ich werde ihn an mich binden und festschnüren und nicht mehr hergeben.
Das müsste doch funktionieren.
Das ist die splitternackte Schande eines Mädchens.
Das meinen lautlosen Namen trägt.
Der Regen läuft mir über das Gesicht, und langsam wird mir bewusst, wie sehr ich zittere. Ich mag Friedhöfe nicht besonders gerne, ich würde Caitlin gerne mitnehmen, weg von hier. Aber ich fürchte, das geht nicht. Ich fürchte, es gibt Plätze, die wir, einmal zugewiesen, nicht wieder verlassen können. Und deshalb ist es jetzt an der Zeit, mich loszureißen, von etwas, das längst weg ist. Von meiner Freundin, in ihrem versiegelten Sarg.
Ich packe die rote Schippe in meine Handtasche und die Überreste von meinem Lippenstift auch. Die Tasche fühlt sich zu leicht an ohne die Steine, den buntgestreiften Gummiball und die Holzente.
Aber Leichtigkeit.
Ist so ein flatterhaftes Wort.
Ich wringe mein Kleid aus, so gut es geht; es ist vollkommen sinnlos bei dem Regen, aber es ist eine beruhigende Geste an mich selbst, eine Geste, die mir Zeit verschafft. Schließlich werfe ich noch einen letzten Blick zurück auf den Lietzensee und die kleine hölzerne Ente, die mit dem Schnabel voran in Richtung Grabstein schwimmt. Der Ball ist mittlerweile an die Böschung, in die Nähe von einer verwelkten Blume, getrieben und schwappt leicht gegen die Steine.
»Ich werde alle zwei Wochen vorbeikommen und frisches Wasser aus dem Lietzensee mitbringen«, verspreche ich Caitlin.
Sie kann mich hören, ganz sicher – nur noch dieses eine Mal.
Dann ziehe ich los. Um eine Nutte zu werden.
7
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