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Splitterfasernackt

Splitterfasernackt

Titel: Splitterfasernackt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilly Lindner
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regnet es in Strömen. Die Straßen sind leer, im Passion ist es schon seit Stunden ruhig, und der kühle Herbstwind weht durch das leicht geöffnete Fenster zu mir herein, als hätte er nichts Besseres zu tun. Aus dem Wohnzimmer höre ich das Lachen von Valesca und Minny, die sich gerade mit Wodka betrinken. Brittany tanzt währenddessen in rosa Blümchenunterwäsche und mit ihrem unglaublichen Hintern wackelnd durch das Begrüßungszimmer, Marla durchblättert einen Katalog mit Babysachen, und auf dem Himmelbett in Zimmer vier liegt eine zusammengekugelte Amy und schläft.
    Ich lasse mich zurücksinken auf das Chaos aus weißen Laken, von denen eins nach Amys Parfum riecht und zwei andere nach Brittanys Himbeershampoo. Eriko schimpft immer, weil wir unsere Decken und Laken meistens einfach auf das Bett im Mädchenzimmer werfen, dann brummt er irgendetwas Unverständliches, guckt böse und fährt Getränke einkaufen. Aber ich mag das Durcheinander von Klamotten, Bettbezügen, Haarbürsten, Handtaschen und Decken – dort fühle ich mich behütet.
    Während ich träge herumliege und aus dem Fenster blicke, klingelt es dreimal. Kurz darauf höre ich Marlas Schritte zur Tür eilen, und dann steckt auch schon Monique ihren Kopf zu mir ins Zimmer und wirft mir eine Kusshand zu.
    »Hey, Süße«, sagt sie. »Alles klar bei dir?«
    »Ja, bei dir auch?«, frage ich.
    Monique nickt und schüttelt ihre langen, vom Regen durchnässten Haare aus. Dann schlüpft sie aus ihrem Mantel und wedelt mit einer Tüte vor mir herum.
    »Ich haben Kuchen mitgebracht! Kommst du nachher rüber in die Wohnzimmer?«, fragt sie.
    »Klar«, sage ich, »auf jeden Fall … du bist ein Schatz.«
    »Ich weiß«, erwidert Monique augenzwinkernd.
    Dann verschwindet sie, und ich höre das leise Klirren und Klappern von Tellern und Besteck, die auf dem Wohnzimmertisch verteilt werden. Schließlich fängt es an zu rattern und zu zischen, und kurz darauf zieht der Geruch von frisch gebrühtem Kaffee in meine Nase. Auf einmal werde ich traurig. Ich fühle mich wohl zwischen den zerknüllten Laken, ich hatte heute einen netten Stammgast, der für zwei Stunden da war, nur um sich mit mir zu unterhalten und um massiert zu werden. Er hat mir eine Rose mitgebracht und seine große Hand um meine winzige geschlungen. Seine Fingerspitzen haben sanft über den Ringfinger meiner linken Hand gestrichen.
    »Eines Tages«, hat er zu mir gesagt, »wird jemand einen Ring an diesen wunderschönen Finger stecken. Und an diesem Tag wirst du weinen und lachen und wissen, dass du den Menschen gefunden hast, den du an deiner Seite haben möchtest, um die schönsten Augenblicke mit ihm zu teilen. Spätestens dann wirst du diesem Milieu ein für alle Mal den Rücken zukehren, und wir Männer hier werden dich furchtbar vermissen. Aber wer auch immer es sein wird, der deine Seele berührt, er hat das größte Los von allen gezogen, da bin ich mir absolut sicher.«
    Dieses verrückte Leben, es frisst mich auf.
    Und es kaut so sanft auf meiner Haut, dass ich mich gestreichelt fühle.
    Unbekannte Männer. Die zurück nach Hause gehen, nachdem sie bei mir waren. Zurück zu ihren Frauen und Kindern, zurück zu ihren Freundinnen oder zurück in ihre Einsamkeit.
    Wo werde ich am Ende stehen, wenn ich mich dafür entscheide, kein nacktes Mädchen mehr zu sein? Wie wird es sein, letztendlich zu sagen: »Ich habe mit unendlich vielen Männern geschlafen. Mit mehr, als man sich vorstellen kann. Aber das ist jetzt vorbei. Es ist vorbei …«
    Was für einen Gesichtsausdruck trägt man, während man so etwas sagt? Und wie hört sich die eigene Stimme dabei an? Ist es wahr, wenn man abschließend hinzufügt: »Am Ende zählen all diese Männer zusammengerechnet nicht einmal halb so viel wie der Mann, den man liebt.«
    Ich hoffe es. Und wenn es nicht so ist, dann hat die Welt einen splitternackten Fehler.
    »Lilly! Kuchen!«, ruft Monique.
    »Ja, ich komme«, rufe ich zurück und blicke mich suchend nach meinem Pullover um.
    »Untersteh dich«, kreischt Ana. »Weißt du, wie viele Kalorien in einem Stück Kuchen sind?«
    Aber bevor ich anfangen kann, mit ihr zu streiten, klingelt es an der Tür, und ein Kunde befreit mich von meinen Kuchensorgen.
    Er ist Schauspieler. Ich weiß nicht, wie er heißt, aber ich habe ihn schon oft im Kino gesehen. Wir verbringen zwei Stunden miteinander. Er ist nett, doch das interessiert mich nicht.
    »Hättest du vielleicht Lust, privat mit mir auszugehen?«,

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