Splitterndes Glas - Kriminalroman
Polizeiwagen auf der breiten Straße, die zum Eisstadion führte. Sie kamen näher und bogen dann zur Baustelle ab. Keine Sirene, kein Blaulicht. Unauffällig.
Die beiden uniformierten Beamten, die durch den Eingang traten, waren jünger als Maitland, Anfang bis Mitte zwanzig. Sie sprachen zunächst mit dem Vorarbeiter und wirkten dabei ein wenig nervös. Unter den neugierigen Blicken der Arbeiter schienen sie sich zu fragen, wie sich die Sache entwickeln würde.
Maitland war völlig klar, dass zwei weitere Polizisten in |380| dem anderen Wagen warteten. Er machte ein paar Schritte auf die beiden zu, bleib stehen, nahm seinen grünen Helm ab und hielt ihn vor sich. Seine Jeans und sein T-Shirt waren voller Staub und Baustellenschmutz. Staub auch in seinem dunklen Haar. Eine blaue Tätowierung am Hals, die langsam verblasste; eine weitere in Form eines Drachens auf seinem linken Arm.
»Lee Maitland?«, sagte der größere der beiden Polizisten und trat einen Schritt näher.
»Und?«
»Wir möchten, dass Sie mit uns kommen.«
»Ach so, das is’ ’ne Party? Kostüme und so.«
Einer der Arbeiter lachte, laut und rau.
»Sie sollen mit uns aufs Revier kommen, Sir, wenn es Ihnen nichts ausmacht.«
Als der Beamte einen weiteren Schritt nach vorn machte, ließ Maitland seinen Helm auf den Boden fallen, duckte sich und tat so, als wollte er nach rechts ausbrechen.
»He!«, rief der Beamte und streckte die Hand aus. Maitland ließ sich auf die Fersen zurückfallen, richtete sich auf und entspannte sich.
»War nur Spaß«, sagte er.
Noch mehr Gelächter, ein paar zustimmende Pfiffe.
Mit einem Lächeln auf dem Gesicht wurde Maitland abgeführt.
Sie ließen ihn fast eine Stunde Däumchen drehen, erst dann brachte ihn ein Uniformierter in ein Vernehmungszimmer und sagte ihm, er solle warten. Noch mal ’ne Scheißewigkeit, dachte Maitland, aber dann kam Chris Parsons schon nach ein paar Minuten herein, zog sein Jackett aus, hängte es sorgfältig über die Rücklehne eines Stuhls und glättete dabei die Schultern.
|381| »Wo is’ denn der andere?«, fragte Maitland. Er hatte sich inzwischen den Schmutz aus dem Gesicht gewischt, aber an seinem linken Auge war noch ein Streifen von etwas Weißem zurückgeblieben.
»Welcher andere soll das sein?«, fragte Parsons.
»Ich dachte, Sie wär’n immer zu zweit. Guter Bulle, böser Bulle, wissen Sie. Pinky und Perky.«
Parsons erinnerte sich aus seiner Kindheit an Pinky und Perky: zwei pummelige rosa Schweinchen mit hohen Quietschstimmen. Wie Lee Maitland von ihnen gehört hatte, war ihm schleierhaft.
»Steht irgendwo im Stau«, vermutete Maitland.
Das wollte Parsons nicht hoffen; er hoffte, dass Will sich auf der A52 befand, gut vorankam und schon an Grantham vorbei war.
»Sie sind ein echter Komiker, wie ich höre«, sagte Parsons freundlich.
»Was soll das heißen?«
»Vorhin. Als Sie die Show für Ihre Kumpel abgezogen haben.«
»Nur ’n kleiner Witz.«
»Sie waren gestern nicht bei der Arbeit.«
»Das is’ kein Verbrechen.«
»Wo waren Sie?«
»Och, nichts Besonderes. Ich hatte einfach keine Lust. Hab krankgemacht.«
»Sie waren gestern Abend aber auch nicht in Ihrer Wohnung.«
»War bei ’nem Freund.«
»Welcher Freund ist das?«
Maitland nannte einen Namen.
»Adresse?«
Maitland nannte eine Adresse.
|382| »Wir dachten, Sie wären vielleicht abgehauen.«
Maitland sah ihn an. »Warum denn das?«
»Das müssen Sie sagen.«
Er sagte nichts.
Es klopfte an der Tür, und Will Grayson kam herein. Er nickte Parsons kurz zu und setzte sich neben ihn. Maitland sah aus, als wollte er einen Witz über kleine rosa Schweinchen reißen, hielt aber den Mund, was vielleicht auch klüger war.
Parsons fragte nach seinem jüngeren Bruder Gary, wer dessen Freunde und Kumpane waren, mit wem er seine Zeit verbrachte. Will begnügte sich mit dem Zuhören, wartete ab.
Was Gary betraf, so schien Lee wenig über ihn zu wissen und sich noch weniger für ihn zu interessieren.
»Erstens«, sagte er, »ist er zehn Jahre jünger als ich. Wir ham nie viel zusammen gemacht, als er klein war, und jetzt erst recht nicht. Und zweitens ist er dumm. Sie wollen, dass jemand ’ne Mutprobe auf ’nem Bahnübergang macht, wartet, bis der Zug fast da ist und dann lossprintet, fragen Sie Gary. Sie wollen, dass jemand den Idioten macht und über die Scheißautobahn jagt, fragen Sie Gary. Egal, was er Ihrer Meinung nach getan hat, es war garantiert nicht seine Idee, das kann
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