Splitterndes Glas - Kriminalroman
Faden zusammengeschlagen haben.«
»Ich weiß gar nicht, wovon Sie reden«, jammerte Maitland.
»Und dann noch die anderen Anrufe, die Sie früher gemacht haben. Nach Newmarket. Als Sie die Sache ausgeheckt haben. Treffpunkt und Uhrzeit. Sie sind ein echtes |371| Organisationstalent, muss ich sagen, Gary. Ein richtiger Macher.«
»Halten Sie die Klappe!«
»Wie bitte?«
»Ich sagte, halten Sie die Klappe!«
Der Anwalt warf Parsons einen warnenden Blick zu. Christine Maitland griff nach der Hand ihres Sohnes, aber er zog sie weg.
»Ich will Ihnen eine Geschichte erzählen, Gary«, sagte Parsons und beugte sich vor. »Über zwei Männer, mit denen ich zu tun hatte. Sie mochten keine Schwulen. Keine Homosexuellen. Hielten sie für Ungeziefer. Für schwach. Verachtenswert. Hassten sie. Hass, Gary, Sie wissen, was das heißt?«
Tränen stiegen in Maitlands Augen.
»Sie gingen zu einer öffentlichen Grünfläche in London, diese beiden Männer, und suchten nach einem Schwulen, um ihn zusammenzuschlagen. Sie wussten nicht einmal, ob der Mann, den sie sich aussuchten, wirklich schwul war, aber sie glaubten es, und das genügte ihnen. Sie beschimpften ihn mit allen gemeinen Ausdrücken, die ihnen einfielen, und schlugen ihn, und als sie mit den Boxhieben und Fußtritten fertig waren, hatte er mehr als dreißig verschiedene Verletzungen und war tot. Sie haben ihn umgebracht. Weil er schwul war. Weil sie glaubten, er sei schwul.«
Maitland biss sich auf seine Unterlippe, bis Blut kam.
»Nach dem neuen Strafmaß für homosexuellenfeindliche Übergriffe werden sie zu einem Minimum von achtundzwanzig Jahren im Gefängnis verurteilt. Achtundzwanzig Jahre, bevor eine bedingte Haftentlassung in Frage kommt.«
Maitland entfloh ein Schluchzen.
»Ich kann nicht sagen, ob Sie sich dadurch Vorteile verschaffen |372| können, Gary – Ihr Anwalt wird sie nach bestem Wissen informieren –, aber wenn Sie nicht die ganze Schuld für die Ereignisse auf sich nehmen wollen und wenn andere Personen an dem Überfall auf die beiden Studenten beteiligt waren und möglicherweise mehr Anteil hatten als Sie, würde ich anfangen, Namen zu nennen.«
Maitland warf sich unvermittelt nach vorn und ließ sein Gesicht auf den Tisch fallen, wovon seine Nase zu bluten anfing.
»Sie und Ihr Mandant«, sagte Parsons zu dem Anwalt, »hätten vielleicht gern etwas Zeit, um sich zu beraten.«
Es war so spät am Nachmittag, dass die Sonne – soweit vorhanden – hinter den Dächern versunken war und einen verschwommenen Streifen Licht am Himmel hinterlassen hatte. Will lehnte sich gegen die Mauer und sah zu, wie Christine Maitland sich eine neue Zigarette an der Glut der alten anzündete.
»Das macht doch keinen verdammten Unterschied mehr, oder? Egal, was er Ihnen jetzt erzählt.«
Gary hatte behauptet, dass alle Anrufe bei Evan und Liam Ibbotson von jemand anderem gemacht worden waren, der sein Telefon benutzt hatte. Er hatte den Namen dieser Person genannt. Er gab zu, dabei gewesen zu sein, als die beiden Studenten attackiert wurden, sagte aber, er hätte selbst nicht zugeschlagen. Vielmehr hätte er die anderen angefleht, damit aufzuhören. Er nannte Chris Parsons die Namen von sechs anderen, die sich an dem Übergriff beteiligt hatten, darunter der Jugendliche, der auf den ins Netz gestellten Fotos kaum zu erkennen war.
Einige Verhaftungen waren bereits vorgenommen worden, andere würden folgen.
»Das weiß man nie«, sagte Will. »Es könnte ihm helfen, |373| wenn das Urteil gesprochen wird, immer vorausgesetzt, dass es dazu kommt. Der Richter könnte ihn dann mit größerer Nachsicht behandeln.«
Sie warf ihm einen verächtlichen Blick zu. »Wer’s glaubt, wird selig.«
Will fischte ein Pfefferminzbonbon aus seiner Tasche und steckte es in den Mund.
»Garys älterer Bruder, Lee – er wohnt wohl nicht mehr zu Hause?«
Christine Maitland blies Rauch durch die Nase.
»Der taucht nur auf, wenn er was will. Wenn er irgend’n Scheiß absahnen kann, dieser Schnorrer.«
»Sie wissen nicht zufällig, wo ich ihn finden könnte?«, sagte Will.
»Lee? Den seh ich kaum.«
»Aber Sie haben Kontakt?«
Ein heftiges Kopfschütteln. »Nicht der Rede wert.«
»Und wenn etwas Wichtiges wäre?«
Sie machte eine schnelle Drehung, sodass sie ihn direkt ansah. »Er hat doch mit dem ganzen Scheiß hier nichts zu tun, oder?«
»Nicht, soweit ich weiß.«
»Gott sei Dank.« Sie zog heftig an ihrer Zigarette und stieß dann den Rauch aus.
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