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Splitterwelten 01 - Zeichen

Splitterwelten 01 - Zeichen

Titel: Splitterwelten 01 - Zeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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auch die primae haben das getan. Deshalb haben sie den Codex erlassen. Sie wussten, dass solch große Macht gefährlich wäre …«
    »Das sagst du nur, weil du nicht ahnst, wie es sich anfühlt, die Gabe auf diese Weise zu benutzen.«
    »Ich weiß es«, versicherte Kalliope, »und ich verabscheue es, denn ich habe dabei nicht das Gefühl, meine Fähigkeit zu kontrollieren, sondern dass es genau umgekehrt ist.«
    »Dann bist du zu schwach dazu!«
    »Es ist keine Frage der Stärke. Auch die Schwestern der Inquisition glaubten einst, ihre Kräfte auf diese Weise nutzen zu können. Heute wissen wir, dass dies ein Irrweg gewesen ist …«
    »Nein!«, widersprach Prisca so schneidend, dass Kalliope einen Schritt zurückwich. »Ein Irrweg war es, die Inquisition zu beenden, denn nur dadurch konnte es zu diesen Übergriffen kommen. Wir haben Ketzern und Chimären das Feld geräumt, wo wir hätten kämpfen sollen!«
    »Wir wollten niemals vergessen, woher wir kommen«, brachte Kalliope in Erinnerung. »Gewalt ist nicht unser Weg.«
    »Deine Meisterin war anderer Ansicht.«
    »Unsinn.«
    »Hat sie dir nie davon erzählt?«, fragte Prisca genüsslich.
    »Was meinst du?«
    »Dass sie einst selbst zu jenem Kreis gehörte«, wurde die Freundin deutlicher. »Dass sie eine Inquisitorin gewesen ist.«
    »Das ist nicht wahr!«
    »O doch. Harona hat es mir verraten. Nur hat deine Meisterin anders als meine nie den Mut gehabt, sich zu ihren Taten zu bekennen.«
    Kalliopes Gedanken stockten ebenso wie ihr Atem.
    Sollte Prisca die Wahrheit sagen? War Cedara einst eine Inquisitorin gewesen? Aus tiefster Überzeugung hätte Kalliope dies verneint und schon den bloßen Gedanken lächerlich gefunden – wären da nicht die Bilder gewesen, die wie ungebetene Gäste aus dem Hintergrund ihres Bewusstseins auftauchten: der Matrose, wie er zur Decke gerissen wurde und sich das Genick brach; der Schiffskoch, wie er sich selbst erdolchte …
    Cedara hatte sich von einer Seite gezeigt, die Kalliope zuvor nie an ihr gesehen hatte. Womöglich, sagte sie sich, gab es noch mehr verborgene Seiten …
    »Cedara war eine von uns«, fasste Prisca zusammen, »und du solltest dich uns ebenfalls anschließen.«
    »Euch?« Kalliope hob die Brauen.
    »Sie nennen uns die ›Neue Inquisition‹. Ein Bund von Schwestern, die sich ihrer Verantwortung nicht länger entziehen. Einige Meisterinnen, die Harona nahestehen, gehören bereits zu uns, und du solltest das ebenfalls tun, um unserer gemeinsamen Vergangenheit willen.«
    »Ich soll eine Inquisitorin werden?«, fragte Kalliope spitz. »Um was zu tun? Dir dabei zu helfen, andere Kreaturen zu quälen und zu foltern?«
    »Nein. Um die Schuldigen zu finden.«
    »Natürlich – und wie unterscheiden wir die Schuldigen von den Unschuldigen? Begreifst du nicht, dass genau das der Punkt war, an dem die Inquisition gescheitert ist?«
    »Die alte Inquisition ist gescheitert, weil die Erhabene Schwester ihre Notwendigkeit nie begriffen hat. Nun jedoch weiß sie, dass nichts anderes die Gilde vor dem Untergang bewahren kann, denn sie hat es selbst gesehen.«
    »Die Gabe der Hellsicht.« Kalliope nickte. »Meisterin Cedara hat es mir gesagt.«
    »Hat sie dir auch gesagt, dass die Erhabene Schwester dem Tode nah ist?«
    Kalliope stand wie versteinert. Dann war ihre Befürchtung zutreffend gewesen.
    »Cedara hat auch das gewusst«, eröffnete Prisca ihr genüsslich, »aber wie ich deiner Reaktion entnehme, hat sie dir davon nichts gesagt. Die Erhabene Schwester hat ihr Ende gesehen. Und es ist nahe.«
    Kalliope rang mit den Tränen, so sehr wühlte sie die Erkenntnis auf. Sie musste an das Stundenglas denken, das wieder und wieder auf den Kopf gestellt wurde – so wie ihre Welt. Und natürlich fragte sie sich, weshalb ihre Meisterin ihr nicht die ganze Wahrheit gesagt hatte. Hatte sie sie beschützen wollen? Hatte sie ihr nicht genug vertraut?
    Dann, plötzlich, erinnerte sie sich an ein Gespräch, das sie auf der Volanta geführt hatten, kurz nachdem sie das Tor von Ulster passiert hatten. Cedara hatte gesagt, dass sie die Vögel beneide – nicht um ihre Fähigkeit zu fliegen, sondern um ihre Unwissenheit die eigene Zukunft betreffend …
    »Aber die Erhabene Schwester sah nicht nur ihr Ende, sondern auch das unsere«, fuhr Prisca unbarmherzig fort, »den Untergang der Welten, das Ende des Sanktuarions. Das Nox wird über uns alle kommen. Nur wenn wir zusammenstehen und Stärke zeigen, werden wir die Katastrophe

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