Sprachlügen: Unworte und Neusprech von »Atomruine« bis »zeitnah« (German Edition)
widerspricht, muss entweder verrückt oder ein → Gefährder sein – wahrscheinlich sogar beides.
Sicherheitsforschung
Weckt die Erwartung, dass die Ergebnisse dieser Forschung der Sicherheit dienen. Nun ja. Die Sicherheitsforschung wird vornehmlich im Bereich des Militärischen betrieben und hat vor allem Waffen zum Gegenstand beziehungsweise das Bestreben, diese besser zu machen, also tödlicher. Aber Kriegs- oder Tötungsforschung klänge nun einmal nicht so beruhigend. Selbstverständlich existiert die Überzeugung, seltsamerweise vorwiegend bei Militärs, dass Waffen die Welt sicherer machen. Allerdings sind an der zugrunde liegenden Theorie Zweifel angebracht. Gibt es doch nicht unerhebliche Hinweise darauf, dass mehr Waffen eher zu mehr Toten führen und daher irgendwie zu weniger Sicherheit. Denn woran soll man sie messen, wenn nicht an der Zahl derer, die nicht zu Schaden kommen? Abgesehen davon, dass Sicherheit definiert ist als die Abwesenheit von Gefahr und die Waffen selbst bereits eine solche Gefahr darstellen. Doch auch im zivilen Bereich ist die Sicherheitsforschung wohl eher ein Euphemismus. Ja, ab und zu geht es ihr darum, Menschen aus Notlagen zu retten oder dank besserer Fluchtwege vor Gefahren zu bewahren. Meistens aber sind dann doch Pläne gemeint, die treffender mit »Überwachung« beschrieben wären. Dass Überwachung die Welt sicherer macht, ist hingegen leider ebenso falsch wie die Annahme, Waffen täten das.
Sicherheitskräfte
Manchmal entstehen Schleier- und Sudelwörter auch aus Hilflosigkeit. Stellen Sie sich vor, Sie sind Journalist und müssen über ein Land schreiben, dessen, sagen wir, Staatschef eben noch als lupenreiner Demokrat und verlässlicher Handelspartner galt. Plötzlich gibt es in diesem Land eine Revolution, und es ist nicht mehr so klar, ob der Typ und sein Machtapparat demnächst noch wohl gelitten sind. Möglicherweise wird er auch in drei Wochen noch vom Bundespräsidenten mit militärischen Ehren empfangen. Möglicherweise hängt er dann aber auch an irgendeinem Baum und die, die bis eben noch Aufständische oder Rebellen hießen, stellen das Parlament. Hier ist sprachliches Feingefühl gefragt. Jedes falsche Wort kann Ihnen schnell als Parteinahme für die jetzt oder demnächst falsche Seite ausgelegt werden. Neutralität muss her, oder wenigstens ihr Anschein. Und so mutieren Polizisten und Soldaten zu Sicherheitskräften , und der arme Journalist ist fein raus und kann abwarten, wer gewinnt. Leider hat er damit einen Euphemismus geschaffen. Ja, es ist geradezu zynisch, von Sicherheitskräften zu sprechen, wenn es um Leute geht, die andere foltern und niedermetzeln. Manchmal wird aber auch hierzulande plötzlich mit der Sicherheit argumentiert, wenn verschleiert werden soll, dass Polizei und Armee gemeint sind. Wir erinnern uns da an einen CSU-Bundestagsabgeordneten, der sagte, das Land werde »regiert von Sicherheitsbeamten« – was nichts anderes ist als die deutsche Version der Sicherheitskräfte , die sind hier natürlich beamtet.
Sicherheitszone
Typisch antiphrastische Bildung, meint somit das genaue Gegenteil des Gesagten und ist Neusprech in Reinform. Beschrieben wird damit nicht wie angedeutet der Bereich relativer Sicherheit, sondern der Bereich absoluter Gefahr, die Gefahrenzone also. Die natürlich nicht so freundlich-beruhigend klingt. Damit ist die Verwendung des Begriffes Sicherheitszone nicht nur eine Lüge, sondern ein In-Kauf-Nehmen von Opfern. Denn der Ausdruck unterschlägt die Tatsache, dass jeder, der sich wirklich in Sicherheit bringen will, die Sicherheitszone schleunigst verlassen sollte. Als Neusprech ist die Sicherheitszone damit ganz hervorragend gelungen und ähnlich beeindruckend, wie eine der von George Orwell in seinem Roman »1984« verwendeten Bezeichnungen, vgl. beispielsweise das Wahrheitsministerium ( Ministry of Truth, Minitrue ) als Name für das stets lügende Propagandaministerium oder auch die von der im Buch beschriebenen Partei ständig zitierte Parole »Krieg ist Frieden«.
Sparkurs
In diesem kurzen Wort stecken gleich zwei Tricks, um das Denken zu beeinflussen. Erstens das Sparen . Niemand käme auf die Idee, etwas zu kritisieren, was alle vom Staat verlangen und was alle loben, wenn es denn mal geschieht, oder? Außerdem, wer Sparer kritisiert, der kann sich folgerichtig nur Verschwender als Staatenlenker wünschen. Wer tut das schon? Alle, die vom Sparen reden, können somit auf breite Zustimmung
Weitere Kostenlose Bücher