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Sprachlügen: Unworte und Neusprech von »Atomruine« bis »zeitnah« (German Edition)

Sprachlügen: Unworte und Neusprech von »Atomruine« bis »zeitnah« (German Edition)

Titel: Sprachlügen: Unworte und Neusprech von »Atomruine« bis »zeitnah« (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Biermann , Martin Haase
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ohne Zwang kommt niemand auf die Idee zu so einer freiwilligen Selbstverpflichtung , im Gegenteil. Die gehen Konzerne oder Branchen nur ein, wenn sie etwas verbockt haben und Politiker drohen, sie dafür mit Gesetzen zu bestrafen. Dann bleibt die freiwillige Selbstverpflichtung als letzte Möglichkeit, um beispielsweise eine Zerschlagung, gern Regulierung genannt, noch zu verhindern. Mit der »Verpflichtung« ist es ebenfalls nicht weit her. Denn freiwillige Selbstverpflichtungen verpflichten zu gar nichts. Oder, wie es auf politisch heißt, sie sind »rechtlich unverbindlich«. Wer sich nicht an die Vereinbarungen hält, dem passiert nichts. Abgesehen vielleicht von einem kleinen Imageschaden, aber der lässt sich mit einer PR-Kampagne problemlos vergessen machen. Vom »Selbst« bleibt auch nicht viel. Die Bösewichte sind es zwar tatsächlich selbst, die die Auflagen einhalten müssen. Von selbst aber kommen sie bestimmt nicht darauf, etwas zu ändern, siehe oben. Es sind also leere Versprechen. Warum aber machen Politiker das seltsame Spiel überhaupt mit? Selbstverständlich, weil sie es gut und vor allem schnell verkaufen können. Ein Gesetz kann Jahre dauern. Das kostet und birgt außerdem das Risiko, auf dem Weg zur Verabschiedung krachend zu scheitern. Eine freiwillige Selbstverpflichtung lässt sich in ein paar Wochen zusammenbauen. Das, was in ihr steht, muss nicht einmal wie ein Gesetzentwurf öffentlich besprochen und verhandelt werden. Bei der Verkündung auf der unvermeidlichen Pressekonferenz klingt eine freiwillige Selbstverpflichtung außerdem fast genauso gut, und da alles so schnell ging, kann der gemeine Politiker damit so richtig →   Handlungsfähigkeit beweisen. Noch Fragen?

Servicehinweis
    Möglicherweise verdanken wir dieses Zauberwort der Deutschen Bahn, zumindest wird der Servicehinweis dort ständig ungebeten gegeben. Leider hat sich noch nicht genug herumgesprochen, dass Bahnsprech nahezu unverständlich ist, weswegen es der Servicehinweis sogar bis ins Auswärtige Amt geschafft hat. Dabei ist die Bedeutung vollkommen unklar: Es könnte sich dabei um einen Hinweis des Service handeln, also den irgendeiner Abteilung. Oder einen Hinweis auf einen bestimmten Service, daher Dienst. Beispielsweise auf die Möglichkeit, seine Hemden bügeln zu lassen. Es könnte aber auch ein Hinweis sein, der für sich genommen bereits die ganze Leistung darstellt. Das französische service macht es einem aber auch nicht leicht, kann es doch »Dienst« genauso bedeuten wie »Bedienung«, »Leistung«, »Abteilung« oder »Amt«. Wir vermuten bei der Verwendung einer so verdunkelnden Vokabel selbstverständlich Absicht. Denn der Servicehinweis ist gerne mal die gut getarnte Warnung eines Herstellers, dass ein Gerät nicht so funktioniert wie es soll und unter Umständen gefährlich sein könnte. Oder eine vor Taschendieben. Eine solche Warnung ist sicher eine Art Service. Aber Ankündigungen, die mit »Achtung« oder »Warnung« beginnen, erregen garantiert mehr Aufmerksamkeit. Was, wenn das Ganze wirklich ein Dienst am Kunden sein soll, sicher keine dumme Idee ist.

Sicherheit, innere
    Sicherheit klingt immer gut, vor allem wenn es um das Innere und somit um das uns Naheliegende geht. Der Ausdruck hat also eine positive Konnotation. Gleichzeitig erzeugt die gern verwendete Großschreibung des ersten Begriffsteils den Eindruck, es handele sich um eine →   systemrelevante staatliche Struktur. Doch ist innere Sicherheit kein rechtlich definierter Begriff, auch wenn die häufige Verwendung durch Politik und Medien das vermuten lässt. Es existieren folglich auch keine Normen und Gesetze, die die innere Sicherheit einschränken oder wenigstens begründen würden. Die innere Sicherheit ist völlig unscharf, grenzenlos und kann durch praktisch jeden bedroht werden, durch Terroristen genauso wie durch Jugendkriminalität oder »Chaoten«. Selbst die politische Definition ist vage und besagt lediglich, dass die innere Sicherheit die Bürger vor Gefahren beschützen soll, die aus der Gesellschaft selbst heraus erwachsen. Was ein geradezu beeindruckender Trick ist. Denn dadurch, dass die innere Sicherheit behauptet, die Bürger müssten vor Bösewichten aus den eigenen Reihen behütet werden, also letztlich vor sich selbst, erlaubt sie es dem Staat, die Überwachung und Bespitzelung seiner eigenen Bewohner zu rechtfertigen. Das macht sie zur Allzweckwaffe der Politik. Denn wer den entsprechenden Vorhaben

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