Sprengkraft
Bewachung?«
»Der Kollege war kurz für kleine Jungs. Behauptet er zumindest. In seiner Haut möchte ich jetzt nicht stecken.«
»Hast du jemanden hingeschickt?«
»Anna Winkler hört sich um. Und eine Einsatzhundertschaft durchkämmt das ganze Krankenhaus. Rafi kann nicht weit sein. Vermutlich hat er sich in eine Wäschekammer verkrochen und ist ohnmächtig geworden. Nur eine Frage der Zeit, bis wir ihn aufspüren. Hoffentlich gibt er bis dahin nicht den Löffel ab.«
»Gib mir Bescheid, wenn du etwas hörst. Und setz bitte alle übrigen Kollegen auf die Sprengstoffspur an, Stefan. Knöpft euch noch einmal sämtliche Kontaktpersonen unserer Terrorzelle vor. Vielleicht arbeitet jemand im Bergbau, in einem Steinbruch, beim Straßenbau, was auch immer. Oder er hat einen Bezug zur organisierten Kriminalität, also jemand, dem wir zutrauen könnten, dass er sich Sprengstoff, Zünder und das ganze Zeug auf dem schwarzen Markt besorgt.«
»Das Innenministerium will übrigens wegen Diouris Flucht etwas Schriftliches. Am liebsten sofort.«
»Die sollen erst einmal Yassins Verfassungsschutzakte herausrücken.«
»Das habe ich dem Typen von der Polizeiaufsicht auch gesagt.«
»Und?«
»Fand er nicht so lustig.«
Der Intercity raste die Rheinebene entlang. Pferdekoppeln, blattloser Wald, Gewerbegebiete. Der Fahrtwind trieb Regentropfen über die Scheibe.
Veller wählte Annas Nummer. »Bist du noch in der Klinik?«, fragte er, als sie sich meldete.
»Ja. Auf der Station, wo er lag, hat sich Rafi nicht versteckt. Das steht schon mal fest.«
»Was hast du herausbekommen?«
»Die schwache Blase des Aufpassers war eine Schutzbehauptung. Der Kollege war gar nicht auf dem Klo. Die Stationsschwester sagt, dass er ihr die ganze Zeit mit plumpen Annäherungsversuchen auf den Geist gegangen ist. Aber das nehme ich lieber nicht zu Protokoll. Sonst sieht das ziemlich übel für den Kollegen aus.«
»Doch, Anna. Schreib auf, was die Schwester sagt.«
»Auf die Gefahr hin, dass der Kollege …?«
»Stell dir vor, wie das Ministerium reagiert, wenn wir ihn decken und trotzdem alles auffliegt. Die Schwester könnte mit der Presse reden.«
»Verstehe.«
Veller hörte ihr an, dass ihr die Vorstellung, einen Kollegen zu verpetzen, zuwider war.
Er sagte: »Drück mir die Daumen, dass die Generalbundesanwältin bereit ist, Druck zu machen.«
»Warum sollte sie nicht?«
»Politik. Wer weiß, was da abgeht.«
»Wenn du so charmant bist wie gestern Abend …«
»Das bin ich nicht zu jeder.«
46.
Moritz hatte allein gefrühstückt. Er räumte gerade den Tisch ab, als Petra aus Gretchens Zimmer kam. Ihr Outfit war weniger sexy als gestern: ein dicker Pulli zur Jeans. Sie brachte ein Glas mit und trug es zur Spüle.
»Lass mal, ich mach das schon«, sagte Moritz.
Die Mutter seiner Tochter ignorierte sein Angebot.
Ihr Zug würde am Nachmittag gehen, erklärte sie. Vorher wollte sie noch die Immobilienanzeigen im Internet studieren und mit Maklern telefonieren.
»Kann ich nächste Woche noch einmal bei dir übernachten?«, fragte Petra und trocknete das Glas. »Ich versuche, alle Besichtigungstermine auf einen Tag zu legen.«
»Du weißt, dass du ganz hier einziehen kannst.«
»Nicht nötig, Moritz.«
Es klingelte.
Moritz ging zur Tür und ließ Henning herein. Sein Freund hielt ein Gerät in der Hand, das wie ein Walkie-Talkie aussah, mit Stummelantenne und Drehregler.
»Dann wollen wir mal.«
Noch im Flur drehte Henning am Knopf. Es tickte sofort los.
»Eine Wanze?«, fragte Moritz.
»Bis jetzt zeigt das Gerät nur an, dass es betriebsbereit ist.«
Henning regulierte. Eine Reihe LEDs flammte auf. Er schlich den Gang entlang und entdeckte Petra, die in der Küche über den Zeitungen brütete.
»Hallo, Petra, schön dich zu sehen. Zieht ihr wieder zusammen?«
Moritz und Petra tauschten Blicke.
Sie hielt den Kurier in die Höhe. »Ist euch klar, dass wir uns auf dem besten Weg in den Faschismus befinden?«
»Du übertreibst«, versuchte Moritz zu beschwichtigen.
»Die antiliberale Strömung wird allmählich mehrheitsfähig. Nicht nur in der CDU, sondern weit darüber hinaus. Von den Freiheitlichen ganz zu schweigen«, sagte Petra und klatschte gegen die Seite, die sie aufgeschlagen hatte. »Das läuft auf einen kalten Staatsstreich hinaus! Die Umwandlung der Demokratie in einen autoritären Überwachungsstaat unter dem Deckmantel der Terrorbekämpfung. Innenminister
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