Sprich nicht darüber
zwar endlich Gelegenheit, sich etwas Vernünftigeres anzuziehen, aber dann hatte sie den ganzen Flug über geschlafen. Erst bei der Landung wachte sie auf. Constantin schleuste sie in Windeseile durch die Ankunftshalle und ließ sie keine Sekunde aus den Augen. Da sie weder gefrühstückt noch zu Mittag gegessen hatte und kein griechisches Geld besaß, musste sie ihn bitten, ihr an einem Stand einen Schokoriegel zu kaufen.
Jetzt im Wagen machte sich der aufgestaute Frust Luft. “Wenn du nicht auf der Stelle das verflixte Telefon weglegst, fange ich an zu schreien”, fuhr sie Constantin unvermittelt an.
“Was hast du denn nun wieder?” Mit der Miene eines leidgeprüften Vaters, der sich um sein bockiges Kind kümmern musste, senkte er das Handy.
Verkrampft stieß Rosie hervor: “Ich will nichts mehr mit deinen Lügengeschichten für Thespina zu tun haben.”
“Würde es dir mehr Spaß machen, ihr direkt zu verkünden, dass du die Geliebte ihres Mannes warst?” konterte Constantin trocken.
Entnervt wiederholte Rosie zum xten Mal: “Ich war nicht Antons Geliebte.”
“Eine Gespielin, die jetzt in den sicheren Stand der Schwiegertochter aufgestiegen ist”, fuhr Constantin unbeirrt fort. “Den Schmerz und die Demütigung solcher Enthüllungen wirst du Thespina nicht antun.”
Die Limousine hielt vor einem herrschaftlichen Stadtpalais. Als Rosie ausstieg, traf die nachmittägliche Hitze sie unvermittelt. Sie fühlte sich verschwitzt, zerknittert und nervös. Während Constantin mit dem Bediensteten sprach, der zu ihrem Empfang herbeigeeilt war, verspürte sie den Drang, sich hinter seinem breiten Rücken zu verstecken.
Constantin drehte sich zu ihr herum und erklärte sichtlich verärgert: “Thespina ist heute Morgen zu Freunden nach Brasilien geflogen. Sie wollte mich noch benachrichtigen, hat mich aber offenbar nicht erreicht.”
Rosie empfand nichts als unendliche Erleichterung. Wie der Blitz stieg sie wieder in den Wagen.
“Was machen wir jetzt?” fragte sie, schon fast wieder heiter.
Constantin runzelte die Stirn. “Es ist unwahrscheinlich, dass sie in Brasilien von unserer Heirat erfährt. Ihre Freunde leben auf einer abgelegenen Kaffeeplantage.”
“Du könntest sie anrufen.”
“Nein, solche Dinge teilt man nicht am Telefon mit.” Er wirkte ein wenig hilflos.
“Gut, wie geht es nun also weiter?”
Constantin ignorierte die Frage. Er hat wieder seine miese Laune, stellte Rosie fest. In dieser Situation konnte sie ihm schlecht ihre Überzeugung vermitteln, dass Lügner sich nur immer tiefer in ihre eigenen Netze verstricken. Aber sie versuchte, fair zu sein. Wie hätte sie sich in seiner Lage verhalten? Die heimliche Hochzeit, die bloß Antons letzten Willen erfüllen sollte, war auf einmal Gegenstand des öffentlichen Interesses. Und Constantin reagierte auf diese Entwicklung, indem er so tat, als hätte er gar nichts zu verbergen, als sei die Heirat ernst gemeint.
Als ihr das so richtig klar wurde, wurde Rosie blass. Der ganze Trubel an diesem Tag, das angestrengte Nachdenken über Maurice und Thespina hatten sie nicht zur Besinnung über ihre eigene Situation kommen lassen. Starr vor Schreck sah sie Constantin an. “Erwartest du etwa, dass ich vorgebe, deine Frau zu sein?” flüsterte sie.
“Du bist meine Frau”, gab Constantin entschieden zurück.
“Vor dem Gesetz, ja, aber …”, Rosies Stimme erstarb.
“Wir müssen mindestens ein paar Monate lang den Schein wahren”, sagte er kühl.
“Ich kann nicht schauspielern. Wir können uns gegenseitig nicht ausstehen. Meinst du, die Leute merken das nicht?” wandte sie ein.
Constantin ignorierte sie erneut. Sie hasste es, wenn er sie so behandelte. Wenn er tat, als wäre sie Luft. Sie kam sich dann vor wie eine lästige Fliege, bei der man sich nicht einmal die Mühe macht, sie zu erschlagen.
“Mit dir könnte ich es keine Woche aushalten, geschweige denn Monate”, erklärte sie.
Constantin warf ihr einen verächtlichen Blick zu. “Was soll das? Ich biete dir das absolute Flittchen-Paradies. Mir bleibt gar keine Wahl, als dich nach Strich und Faden zu verwöhnen. Aber wenn ich daran denke, dass dies die Belohnung für deine miesen Machenschaften ist, kommt mir die Galle hoch.”
Rosie hätte ihm am liebsten die Augen ausgekratzt, aber sie versuchte es lieber ihrerseits mit Nichtbeachtung. Wenn er in seiner Arroganz davon ausging, dass sie für die nächsten Monate ein dankbares Dekorationsstück abgeben würde,
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