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Spring in den Himmel

Spring in den Himmel

Titel: Spring in den Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lotte Kinskofer
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überzeugend Begeisterung vorspielen. Es war dieselbe Mimik, dasselbe Strahlen wie auch sonst. Was war richtig, was war falsch? Wann sagte sie die Wahrheit und wann nicht? Und warum log sie überhaupt? Es war doch gar nicht notwendig. Gemeinsam bereiteten sie das Abendessen vor, redeten miteinander, Yoyo betont locker. Jamina sah angespannt zu ihrer Mutter. Die hatte sich tatsächlich auf einen Stuhl gesetzt, ihr Bein hochgelagert und sich eine Zeitung genommen. Sie sah lächelnd zu den beiden Mädchen.
    »So schön habe ich es auch nicht alle Tage.«
    »Wir kennen uns aus der U-Bahn.«
    Damit begann Yoyo ihre Erzählung, als die ganze Familie um den Tisch saß und jeder sich von dem Auflauf genommen hatte. Jaminas Vater hatte die Freundin zurückhaltend, aber freundlich begrüßt, Rafik hingegen war vom ersten Augenblick an fasziniert gewesen.
    »Sind die Haare echt grün?« – »Was ist in deiner großen Tasche alles drin?« – »Warum lachst du so laut?«
    Jetzt sah er immer noch gebannt auf das fremdeMädchen am Tisch, als würde sie eine besonders spannende Geschichte erzählen.
    Doch Yoyos Erzählung war für Jamina unerwartet harmlos – und wahr. Wenigstens zum Teil.
    »Und dann, und dann?«, fragte Rafik nach, als Yoyo die U-Bahn erwähnt hatte.
    »Wir haben uns unterhalten und es war total nett. Wir haben uns auf Anhieb gut verstanden.«
    Ein skeptischer Blick der Mutter, den nicht nur Jamina, sondern auch Yoyo sofort bemerkte.
    »Wirklich! Wir sind sogar an Milbertshofen vorbeigefahren, weil wir nicht auf die Stationen geachtet haben.«
    »Seid ihr dooooooof.« Rafik lachte sich kaputt.
    Die Eltern sahen sich an und schmunzelten. Der Vater holte eine offene Flasche Wein aus dem Kühlschrank.
    »Wollen Sie auch?«
    »Nein danke, ich trinke keinen Alkohol.«
    Das hatte Jamina ganz anders in Erinnerung. Sie warf Yoyo einen zweifelnden Blick zu und die lächelte freundlich zurück. »Ich hab gute Vorsätze, weißt du.«
    Der Vater holte Gläser für sich und seine Frau, schenkte ein.
    Sie sind alle so locker drauf, dachte Jamina. Warum gelingt mir das gerade nicht? Warum hab ich bloß gedacht, meine Eltern würden Yoyo nicht mögen? Sie hatten selten Gäste. Der Besuch tat der Familie gut, das war offenkundig. Außer ihr. Yoyo hatte nicht die ganze Wahrheit gesagt, was ihr erstes Treffen anging.Aber sie hatte auch nicht gelogen. Wo war die Grenze?
    Jamina sah zu ihrer Mutter, die Yoyo zuerst so misstrauisch beobachtet hatte. Auch sie wirkte inzwischen gelöster, prostete ihrem Mann zu, saß entspannt am noch nicht abgeräumten Tisch und genoss den Abend, amüsierte sich über Rafiks offensichtliche Schwärmerei und behielt dabei doch immer das fremde Mädchen im Auge, die Freundin ihrer Tochter. Sie vergleicht Yoyo mit Sophia, dachte Jamina. Und kann nicht verstehen, warum wir uns angefreundet haben. Oder was denkt sie sonst?
    Alles war anders an diesem Abend. Gut, es war ein Freitag und am kommenden Tag war keine Schule. Aber trotzdem war es ungewöhnlich, dass Rafik bis zehn Uhr aufbleiben durfte. Es war gerade so, als hätte man vergessen, ihn ins Bett zu schicken. Er saß mit seinen Eltern, mit Jamina und Yoyo am Esstisch, es gab Eis und Obst, die Eltern tranken noch ein Glas Wein, Jamina und Yoyo nahmen Tee.
    Fantastisch, dieser Tee. Trinkt man den in Algerien so? Aus diesen kleinen Gläsern? Die sind ja total hübsch. Haben Sie die von zu Hause mitgebracht?
    Die kann man hier kaufen, echt? Sie müssen mir unbedingt sagen, wo.
    Jamina hat mir erzählt, dass Sie eigentlich Arzt sind. Ist doch egal, wenn Sie nicht fertig studiert haben. Ihre abgelegten Prüfungen gelten hier wahrscheinlich garnicht? Typisch deutsche Behörden! Da zählt doch der Mensch gar nichts und das Papier ist alles. Ob das ein Zeugnis ist oder ein Ausweis, ohne geht's einfach nicht.
    Die Mutter versuchte aufzustehen.
    »Bleiben Sie sitzen, Frau Behringer-Merabet!«, rief Yoyo. »Ich räume den Tisch ab. Sie sollen doch Ihren Fuß schonen.«
    Jaminas Mutter lehnte sich wieder zurück, Yoyo begann mit dem Abräumen des Tisches. Als Jamina aufstand, versuchte Yoyo, auch sie wieder zurück auf den Stuhl zu drücken.
    »Lass nur, ich mach das gern.«
    Warum mochte sie diese übereifrige Yoyo nicht, die sich gleich so in diese Familie einfügte, die sich hier als Hausmütterchen aufführte, ihre Eltern beeindruckte, ihren Bruder faszinierte, die so anders war als sonst? War ihr wirklich die sperrige, provozierende Yoyo lieber, die sich

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