Spring in den Himmel
mit jedem anlegte? War sie nicht froh, dass Yoyo so offen und freundlich war, hatte sie nicht Angst gehabt, ihre Mutter würde die neue Freundin nicht mögen?
Jamina ging hinaus, sie wollte zur Toilette. Nachdenken. Überlegen. Verstehen. Was war hier los? Und warum behagte ihr das alles gar nicht?
War sie vielleicht eifersüchtig, weil Yoyo sich so gut mit Rafik und ihren Eltern verstand, so schnell Zugang zu ihrer Familie gefunden hatte?
Friederike. Yoyo.
In der U-Bahn kennengelernt.
Im Supermarkt getroffen.
Trinkt keinen Alkohol.
Ein Teil stimmte, der andere nicht. War ihr Name überhaupt richtig?
Im Flur vor der Toilette blieb sie kurz stehen. Hier lag Yoyos Seesack. Die Versuchung war unendlich groß. Yoyo hatte doch sicher irgendwo einen Ausweis. Sie könnte nachsehen, mit wem sie es wirklich zu tun hatte, wem sie da ihr Vertrauen geschenkt hatte, mit wem sie auf Leben und Tod gesprungen war …
Sie starrte auf den Seesack und war erschrocken über sich selbst. Hatte sie jemals in anderer Leute Sachen gewühlt? War es nicht schäbig, eine Freundin so zu hintergehen? Andererseits: Hatte sie nicht ein Recht darauf, endlich mehr über Yoyo zu erfahren?
Ein Klirren, ein Schrei. Yoyos Schrei. Schnell lief Jamina zurück in die Küche. Yoyo hielt sich die Hand, Blut sickerte zwischen ihren Fingern heraus. Auf dem Boden lag zerbrochenes Glas.
»Es war keine Absicht, es tut mir leid!«
Sie klang kleinlaut und schwach, fast schüchtern, ehrlich verzweifelt.
»Beruhigen Sie sich und setzen Sie sich hin.«
»Aber es tut mir wirklich so furchtbar leid.«
Die Mutter stand mit Mühe auf und geleitete Yoyo zu einem Stuhl. Der Vater holte den Verbandskasten.
»Was ist denn passiert?«
»Deine Freundin hat sich geschnitten, das siehst du doch.«
Die Mutter klang ungeduldig, als hätte Jamina eine wirklich dumme Frage gestellt.
»Es ist mir so peinlich …« Yoyo sah aus wie ein kleines Mädchen.
»Ist das gefährlich?«, fragte Rafik.
»Du gehst ins Bad, Zähne putzen, du gehörst längst ins Bett«, sagte die Mutter.
Jamina bückte sich und begann, die Scherben aufzuheben. Der Vater kümmerte sich um Yoyos Wunde.
»So etwas kann doch passieren.« Der Vater.
»Die Gläser ersetze ich Ihnen natürlich.«
»Bitte, denken Sie nicht mal dran.« Die Mutter.
Yoyo schwankte leicht auf ihrem Stuhl. »Das Problem ist: Ich kann kein Blut sehen.«
»Ich bin gleich fertig, dann können Sie sich hinlegen.«
Yoyo sah auf den Verband: »Toll, wie Sie das gemacht haben. Da merkt man doch gleich, dass Sie vom Fach sind.«
Der Vater lächelte über das Lob. Rafik stand wieder in der Tür und beobachtete, was da passierte. Die Mutter sah ernst zu Yoyo. »Wollen Sie ein Glas Wasser?«
»Ja, gern.«
Jamina stellte Yoyo Wasser hin.
»Kommen Sie, ich bringe Sie zum Sofa.«
Der Vater reichte Yoyo fürsorglich die Hand. Aber die schüttelte energisch den Kopf.
»Ich bin Ihnen lang genug auf die Nerven gegangen. Ich fahre jetzt heim.«
»Ich bring dich noch zur U-Bahn.« Ihre Reaktion kamschnell, fast zu schnell. Jamina merkte es selbst. Irgendwie wollte sie ihre Familie jetzt wieder für sich allein haben.
Yoyo stand auf, begann zu schwanken.
»Sie können doch in dem Zustand nicht rausgehen!«, bemerkte der Vater und sah fragend auf seine Frau.
»Vielleicht kann Ihr Vater Sie abholen?«, fragte die Mutter.
»Der ist auf Dienstreise«, sagte Yoyo kleinlaut. »Vor Sonntagabend kommt der nicht zurück.«
»Cool, dann bleibst du einfach so lange bei uns!«
Das kam von Rafik, ein bisschen undeutlich, denn er hatte die Zahnbürste im Mund, stand barfuß in der Tür und strahlte über das ganze Gesicht.
Schweigen bei den Erwachsenen, auch Jamina sagte nichts.
»Ich möchte mich nicht aufdrängen«, sagte Yoyo, stand auf, hielt sich an der Tischkante fest. »Ich ruf mir einfach ein Taxi.«
Der Vater sah zu, wie Yoyo vorsichtig ein paar Schritte in Richtung Tür ging.
»Sie sind noch sehr wacklig auf den Beinen«, stellte er fest.
»Das geht schon.«
»Ein Taxi ist auch sehr teuer«, schaltete sich die Mutter ein.
»Keine Sorge, so viel Geld habe ich dabei.«
»Können Sie nicht Ihre Mutter anrufen?«
Jamina sog tief die Luft ein. Ein heikles Thema. Was würde Yoyo nun sagen?
»Sie ist auch nicht da«, antwortete die nur.
Die Eltern sahen sich an. »Es ist wohl besser, wenn Sie heute Nacht bei uns bleiben.«
»Super! Kann Yoyo bei mir schlafen?«, rief Rafik.
»Du gehst jetzt ins Bad, putzt die Zähne
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