Spring in den Himmel
fertig und ab ins Bett!« Jamina war strenger als sonst, aber Rafiks Begeisterung für Yoyo ärgerte sie. Also war sie doch eifersüchtig, weil ihr Bruder Yoyo so sehr mochte.
»Ich hole die Matratze«, sagte Jaminas Vater.
»Danke, das ist wirklich total nett von Ihnen!«
Yoyos Strahlen. Jamina fiel es schwer, das Lächeln zu erwidern.
Rafik wollte Yoyo unbedingt noch seinen kleinen Hamster zeigen.
Die Mutter bezog die Matratze, die der Vater in Jaminas Zimmer gelegt hatte.
»Jamina, holst du deiner Freundin bitte ein Handtuch und eine Zahnbürste?«, rief ihre Mutter – und schon war Yoyo mit den Utensilien im Bad verschwunden, nachdem sie Jamina verschwörerisch zugeblinzelt hatte.
Als Jamina in ihr Zimmer kam, lag Yoyo in ihrem Bett. Sie trug ihren Pyjama, ein friedlicher, fast kindlicher Ausdruck auf ihrem Gesicht. Als wäre sie hier zu Hause. Sie schien zu schlafen.
Die Jalousie war nicht geschlossen, der Schein einer Straßenlampe fiel herein. Eigentlich hatte Jamina es lieber richtig dunkel. Aber sie wagte nicht zuzumachen.Sie fürchtete, Yoyo zu wecken. Auf keinen Fall wollte sie noch mit Yoyo reden. Sie musste erst nachdenken.
Jamina legte sich auf die Matratze und deckte sich zu.
»Warum kommst du nicht mit ins Bett?«
Jamina zuckte zusammen. Yoyo war ja noch wach!
»Das Bett ist zu schmal für zwei.«
»Quatsch, das ist doch richtig kuschlig.«
Jamina schwieg.
»Du willst lieber allein sein«, sagte Yoyo mit brüchiger Stimme. Sie klang verletzt, verletzlich. »Und um das zu wissen, muss ich nicht mal auf deiner Stirn lesen.«
Jamina hätte lügen müssen, wenn sie widersprochen hätte.
»Morgen früh bin ich verschwunden, versprochen.«
»Es ist nicht so …« Jamina wand sich, weil sie nicht wusste, wie sie es sagen sollte. »Aber … ich weiß überhaupt nicht mehr, wer du bist. Du erzählst Dinge, die nicht stimmen oder die ganz anders waren.«
»Hätte ich deinen Eltern sagen sollen, dass man dich beim Schwarzfahren erwischt hat? Ich wusste nicht, ob sie's wissen, also hab ich die Geschichte ein bisschen frisiert.«
Dagegen war schwer etwas zu sagen.
»Und dass mein Vater keine Zeit für mich hat, das stimmt auch, das weißt du.«
Lange Pause.
»Und du heißt Friederike?«
»Kannst auch Hermine sagen. Ist mein zweiter Vorname.«
Fast musste Jamina lachen. Aber dieses komische Gefühl blieb.
»Weißt du, ich hab irgendwie Angst gehabt, dass meine Mutter dich nicht so richtig mag.«
»Es lief doch total gut!«
»Ja, weil du sie so eingewickelt hast, du warst so ganz anders als sonst … und da hab ich's auch nicht verstanden. So kenn ich dich nicht und …«
Ein tiefes Atmen aus dem Bett. Jamina sah hin. Yoyo war eingeschlafen, während sie versucht hatte, ihr zu erklären, was sie sich selbst nicht erklären konnte.
Es gibt da einen tollen Spruch, Jamina: Die Wahrheit ist symphonisch. Verstehst du? Das heißt: Es gibt mehrere Wahrheiten. Wie Stimmen im Orchester. Alle zusammen ergeben die Musik. Oder manchmal auch ein Chaos. Okay, ich hab deinen Eltern nicht ganz die Wahrheit gesagt. Aber sie haben's geschluckt, oder? Und sie finden mich gut. Das ist doch das Wichtigste. Ich hab's doch nur für dich getan. Damit sie unsere Freundschaft akzeptieren. Dann kann ich viel öfter bei dir sein. Dann haben sie auch nichts dagegen, wenn wir was miteinander machen. Und es war ja nicht richtig gelogen … Hey, hast du vergessen, dass wir Freundinnen sind? Da ist Vertrauen Pflicht. Sonst können wir gleich einpacken, verstehst du?
12. Kapitel
Die halbe Nacht war Jamina wach. Immer wieder stand sie auf und betrachtete im Mondlicht, das durchs Fenster fiel, Yoyos Gesicht. Yoyo lag zusammengekuschelt in ihrem, Jaminas, Bett. Obwohl sie sich nicht abgeschminkt hatte, war ein unschuldiger Ausdruck auf ihrem Gesicht, der so gar nicht zusammenpassen wollte mit der coolen, provokanten, auch charmanten Yoyo von tagsüber. Ob ich auch wie ein Kind aussehe, wenn ich schlafe, fragte sich Jamina.
Doch ihre Rührung dauerte nicht lange. Zu groß war die Irritation über das, was sie erlebt hatte. Yoyos lässige Art, mit der Clique umzugehen, ihre freundlichen Gespräche mit den Eltern, durchzogen von Halbwahrheiten und echter oder gespielter Bewunderung, und dann die fast selbstverständliche Art und Weise, wie sie Jaminas Zimmer in wenigen Minuten zu ihrem eigenen gemacht hatte.
Jamina fühlte sich plötzlich nicht wohl in diesem Raum. Das war jetzt, zumindest für diese Nacht, nicht mehr
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