Spring in den Himmel
Eltern saßen schon und sahen aus, als hätten sie einen Urlaub im Hotelgewonnen. Denn Yoyo schenkte ihnen Kaffee ein, servierte die weichgekochten Eier, reichte den Brötchenkorb, Wurst und Käse, Marmelade und Honig.
»Guten Morgen, Jamina«, strahlte Yoyo ihr entgegen und Jamina brummelte nur kurz, dass sie erst ins Bad müsse.
»Dürfen wir ohne dich anfangen?«, fragte Rafik und Jamina nickte.
»Aber beeil dich, sonst ist alles weg!«, rief der Vater ihr gut gelaunt nach.
»Ich wollte ja gestern schon den Supermarkt plündern, aber du hast mich nicht gelassen«, grinste Yoyo Jamina an und schob ihr die Croissants hin. »Grüntee für dich?« Jamina konnte nur nicken.
Yoyo setzte sich auf denselben Platz, den sie auch beim Abendessen gehabt hatte. Der Stuhl gegenüber dem Vater an der kurzen Seite des Tisches. Bisher war es Jaminas Stammplatz gewesen. Sie rückte nun an die Seite ihre Bruders.
»Mach dich nicht so breit«, maulte Rafik und stieß sie mit dem Ellenbogen an.
Die Mutter blickte kurz auf Yoyos Verband.
»Tut es noch sehr weh?«
»Überhaupt nicht! Ich glaube, es war nur der erste Schock. Und was ist mit Ihrem verstauchten Fuß?«
»Schon besser, danke.«
Jamina spürte, dass ihre Mutter das Frühstück zwar genoss, sich Yoyo gegenüber aber dennoch höflich-zurückhaltend gab. Über Nacht hatte sich offenbar einbisschen Skepsis eingeschlichen. Vielleicht war sie gestern durch den Wein lockerer geworden, überlegte Jamina.
»Ich habe Ihnen zu danken«, sagte Yoyo nun. »Dass ich über Nacht hierbleiben durfte …«
»Wollen Sie denn überhaupt nach Hause?«, fragte der Vater.
Überraschter, fast fragender Blick von Yoyo.
»Nun ja, Sie haben doch gesagt, Ihre Eltern seien nicht da.«
Yoyo sah in die Runde. Jamina wich ihrem Blick aus. Bemerkte, dass auch die Mutter sehr mit ihrem Brötchen beschäftigt war. Der Vater wirkte verunsichert. Offenbar hatte er eine andere Reaktion erwartet. Gastfreundschaft ging ihm über alles, da gab es keine neugierigen Fragen und auch kein Misstrauen. Ein Gast war ein Gast.
»Ich kann sehr gut allein sein«, sagte Yoyo und es klang fast trotzig. Sie hielt die Hand hoch, die Jaminas Vater eingebunden hatte. »Meiner Hand geht es ja dank Ihrer Hilfe besser und ich komme sehr gut zurecht.«
»Bleib doch da«, bettelte Rafik. »Du darfst mit mir spielen.«
»Das würde dir so passen, wenn alle sich nur mit dir beschäftigen«, schmunzelte der Vater und fuhr ihm durchs Haar.
»Verzeihen Sie, wenn ich meine Meinung sage …«, wandte er sich dann an Yoyo.
»Sagen Sie doch bitte ›du‹ zu mir«, bat Yoyo. »Ich bin erst siebzehn.«
Die Eltern nickten, dann setzte der Vater noch einmal an.
»Ist es nicht schwierig, dass deine Eltern dich so viel alleine lassen?«
»Denken Sie bitte nicht schlecht von meinem Vater«, sagte Yoyo. »Er gibt sich echt Mühe, doch er hat eben wenig Zeit. Aber ich krieg alles, was ich brauche.«
Schweigen. Pause. Stille. Die Eltern wechselten einen Blick.
»Und deine Mutter ist auch sehr beschäftigt …«
Würde sie wirklich die Geschichte vom Flugzeugabsturz erzählen, überlegte Jamina. Nach dem Abend hatte sie plötzlich Zweifel, ob dieses Unglück überhaupt je stattgefunden hatte.
»Sie ist bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen. Und ich hab überlebt.«
»Echt?« Rafik war der Einzige, der etwas dazu sagte.
Jamina blickte ihre Eltern an. Glaubten sie das? Der Vater wohl, seine dunklen Augen ruhten mitfühlend auf Yoyo. Die Mutter schien vor allem irritiert.
»Moment«, sagte Yoyo, stand auf und ging hinaus in den Flur.
Die Mutter sah Jamina fragend an. »Hast du das gewusst?«
»Sie hat's mir erzählt, ja.«
»Und wann war das Unglück?«
Jamina zuckte die Schultern. »Genau weiß ich es nicht mehr, aber sie war noch sehr klein.«
Yoyo kam mit einem alten Zeitungsausschnitt wiederzurück. Sie faltete ihn sorgfältig auseinander, behandelte ihn wie einen kostbaren Schatz.
»Da, es stand auch in der Zeitung.«
Die Eltern beugten die Köpfe über das Papier, Rafik und Jamina standen auf und versuchten, einen Blick darauf zu werfen.
Ein Flugzeugwrack war zu sehen.
»Wow, ist das kaputt!«, rief Rafik und erntete einen strafenden Blick seines Vaters.
Die Überschrift lautete: »Ein Wunder! Kleines Mädchen überlebt Flugzeugabsturz.«
»Und das warst du«, sagte Jaminas Mutter und Yoyo nickte.
»Noch keine fünf.«
Sie setzte sich wieder auf ihren Platz, während Jaminas Familie auf Überschrift
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