Spritzgebäck - Romantic Gay Comedy (German Edition)
ignorieren. Er hatte nicht damit gerechnet, die gute Edita so schnell wiederzusehen. Und die spitze Betonung bezüglich seines späten Sonntagmorgens war ihm ebenfalls nicht entgangen. Dabei war er für seine Verhältnisse ziemlich früh auf den Beinen. Trotzdem wollte Tom sich nichts anmerken lassen. »Vielen Dank«, sagte er höflich und folgte Edita in die Küche.
Von der Schokoladenschweinerei war nichts mehr zu sehen. Aber so genau konnte Tom da gar nicht hinschauen, weil sein Blick von der Fensterfront gebannt war.
»Oh, was – was ist – das ?« Er hörte seine eigenen Worte, als ob sie von einem völligen Idioten ausgesprochen wurden. Dann räusperte er sich. »Das – das ist ja Wahnsinn!«
»Herr Chessa sagt immer Atelier dazu«, merkte Edita mit unverhohlener Abneigung an.
Tom achtete nicht auf sie. Er war wie paralysiert von dem Anblick. Die Vorhänge hatten keine Nachbarn ausgesperrt, sondern den Blick auf eine riesige Halle verdeckt. Langsam trat er näher an die Fensterscheiben heran und schaute schräg nach oben. Fast das komplette Dach bestand aus gläsernen Dachgauben. Die perfekten Lichtverhältnisse für ein Atelier. Ja, genau das war es tatsächlich. Editas Anmerkung kam etwas verspätet bei ihm an. Hier und da hingen an den Wänden großformatige Bilder in verschiedenen Stadien der Fertigung. Überall standen Leinwände herum, Staffeleien, Malzeug, Arbeitsmaterialien … In der Mitte gab es eine riesige Fläche, die mit Plastikplanen ausgelegt war. Tom dachte sofort an Actionpainting. Auf jeden Fall enorm viel Platz, um vollkommen aus sich herauszugehen. An der rechten Seite befanden sich etliche Werkstische, dazu Gerätschaften, wo man nur hinschaute. Und diese Farbenwucht! Das war kein Weiß, das in die Küche hineinstrahlte, das war leuchtendes Rot, pulsierendes Bunt, das war Leben!
»Das ist ja Wahnsinn!«, wiederholte Tom.
»Ihr Frühstück«, erinnerte Edita kalt.
»Darf ich da rein?«
Die Hauswirtschafterin schwieg.
»Luca hat doch gesagt, ich soll mich wie zu Hause fühlen, oder?« Tom bemerkte selbst, dass seine Stimme vor Begeisterung übersprudelte.
Edita verzog das Gesicht. »Ich weiß nicht, wer Luca ist.«
»Gianluca!« Tom ließ sich nicht in seiner Euphorie beirren. »Herr Chessa von mir aus auch.«
»Ja, er hat gesagt, Sie dürfen sich hier frei bewegen«, bestätigte die Frau und machte nicht den Eindruck, als wäre sie darüber erfreut.
»Keine Schokolade, versprochen!« Tom schnappte sich lachend eins der Brötchen vom Tisch und stürmte hinaus. Im Flur fiel ihm ein, dass er noch eine Frage klären musste. Also riss er die Tür wieder auf. »Wo ist Luca eigentlich?«
Edita seufzte. »Herr Chessa hat zu tun.«
»Ja, die Weihnachtsfeier. Wann kommt er denn zurück?«
»Voraussichtlich gegen Mittag. In Kürze also.«
Die letzten Worte kamen gerade noch durch die Tür, bevor diese mit einem lauten Krachen zufiel. Tom wollte schon losstürmen, als ihm eine weitere Frage in den Sinn kam. Erneut streckte er den Kopf in die Küche. »Sie haben nicht zufällig die blau-gelben Treter gesehen?«
Edita deutete mit versteinertem Gesicht neben die Tür.
»Ach, super!« Tom sprang in die Plastikschuhe und verließ nun endgültig die Küche. Die Tür auf der anderen Seite der Treppe führte ihn in eine Art Flur mit offen angrenzendem Hauswirtschaftsraum. Nach einer weiteren Tür trat er endlich ins Atelier. Die Größe ließ Tom erst mal sprachlos innehalten. Von hier wirkte die Halle wie ein gigantisches Atrium. Von wegen Nachbarn! Gianluca hatte offenbar befürchtet, dass Tom nur noch Malerei im Kopf gehabt hätte beim Anblick dieser Einrichtung.
Insgesamt brauchte Tom sicher eine halbe Stunde, um sich alles in Ruhe anzuschauen. Hier und da schaute er auch mal mit den Fingern, besonders bei dem Tisch fürs Siebdruckverfahren. Aber er gab sich Mühe, sich zurückzuhalten. Vor allem verbat er sich, in Gianlucas Bildern herumzuwühlen. Die Werke, die offen zur Schau standen oder in Bearbeitung waren, reichten ohnehin für einen ersten Eindruck. Gianluca liebte Farbe! Das war so vollkommen anders, als die Bilder, die Tom malte. Während er selbst einer Leinwand Raum gab und die Inhalte aufs Wesentliche und weniger reduzierte, hatte Gianluca wohl eine Vorliebe fürs Überladen. An einem Werk, das Tom besonders faszinierte, hielt er sich bestimmt eine halbe Stunde auf. Es gab so viel zu entdecken – und dabei war diese Leinwand nicht mal sonderlich groß. Von Weitem wirkte
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