Spürst du den Todeshauch: Thriller (German Edition)
Manhattan. Detective John Cruse, der die Ermittlungen leitete, rief Lawrence regelmäßig an. »Ich verspreche, wir schließen diesen Fall erst ab, wenn wir den Unmenschen haben, der Ihrer Tochter das angetan hat«, sagte Cruse.
Lawrence schüttelte den Kopf. Er wollte jetzt nicht an Jamie denken, an den frischen Duft ihrer sonnenbeschienenen braunen, über die Schultern wallenden Haare. »Wenn du sie jeden Tag wäscht, fallen sie dir noch aus«, hatte er sie manchmal aufgezogen. Selbst als sie schon auf dem College war, hatte sie sich, wenn sie fürs Wochenende nach Hause gekommen war, auf der Couch gern an ihn gekuschelt, um mit ihm die Abendnachrichten zu sehen.
Auf der stockenden Fahrt durch Manhattan zum West Side Highway versuchte Lawrence an das Geschenk zu denken, das er für Veronica zu ihrem Jahrestag vorgesehen hatte. Er wollte zwei Millionen Dollar für einen Soziologie-Lehrstuhl am Barnard stiften, der Jamies Namen tragen sollte. Er wusste, dass Veronica sich darüber freuen würde. Sie vermisste Jamie ganz schrecklich. Wir vermissen sie beide so sehr, dachte er.
Als sie auf dem West Side Highway nach Norden fuhren, sah er zum Hudson River. An einem so trüben Tag wie heute schimmerte er schmutzig grau im herbstlichen Nachmittagslicht. Lawrence wandte den Blick ab. Egal ob am Hudson oder am East River, immer sah er Jamies Leichnam mit den langen, schlammverschmierten Haaren darin treiben.
Er schüttelte das schreckliche Bild ab, beugte sich vor und stellte das Radio an.
Um halb sechs ließ Lou per Knopfdruck das Tor zu ihrem Anwesen aufschwingen. Lawrence löste bereits den Sicherheitsgurt, als sie kaum die Hälfte der langen Anfahrt hinter sich hatten. Seine Söhne und Schwiegertöchter wurden um sechs erwartet, und davor wollte er noch ein paar bequemere Sachen anziehen.
Er stieg aus. Lou hielt ihm bereits die Eingangstür zu dem herrschaftlichen Backsteinbau auf. Bevor er die geschwungene Treppe in der imposanten Eingangshalle hinaufeilte, warf er einen schnellen Blick ins Wohnzimmer. Veronica saß in einem Sessel am Kamin und war bereits für den Abend hergerichtet. Sie trug eine bunte Seidenbluse zu einem langen schwarzen Rock.
Wenn Lawrence als distinguiert galt, wurde seine Frau von den Medien als die »liebenswürdige, elegante Veronica Gordon« beschrieben. Angefügt wurde gewöhnlich eine Liste von Wohltätigkeitsorganisationen, in denen sie sich unermüdlich engagierte. Im vergangenen Jahr war noch die Obdachlosenstiftung hinzugekommen, die sie und Lawrence zum Andenken an Jamie gegründet hatten.
Zumindest nach außen hin versuchte sie sich immer tapfer zu geben, oft aber wachte Gordon in der Nacht auf und hörte sie in ihr Kopfkissen schluchzen. Er konnte nicht viel tun, außer sie in den Arm zu nehmen und ihr zu sagen: »Schon gut, es ist gut, lass es ruhig heraus, Ronnie. Viel schlimmer wäre es, wenn du alles in dich hineinfressen würdest.«
Als er jetzt das Wohnzimmer betrat, eilte sie auf ihn zu. Ihre Augen funkelten. »Lawrence, das wirst du nicht glauben. Das wirst du nicht glauben!«
Bevor er sie danach fragen konnte, fuhr sie schon fort: »Ich weiß, du wirst mich für verrückt halten, aber ich habe von einem Medium gehört, einer Frau, die absolut fantastisch sein soll.«
»Ronnie, du hast sie doch nicht aufgesucht!«, rief Lawrence entgeistert aus.
»Ich weiß, dass du mich für verrückt hältst. Deshalb habe ich dir auch nichts erzählt. Sie hat heute Nachmittag bei Lee Gäste empfangen. Lawrence, weißt du, was sie mir erzählt hat?«
Lawrence wartete. Wenn es Veronica ein Trost war, nun, dann hatte er nichts einzuwenden.
»Lawrence, sie hat mir erzählt, dass ich eine schreckliche Tragödie erlitten, dass ich eine Tochter namens Jamie verloren habe. Sie hat gesagt, Jamie sei im Himmel, ihr sei kein langes Leben beschieden gewesen, aber all die guten Werke, die wir in ihrem Namen verrichten, würden sie glücklich machen. Allerdings betrübt es sie, wenn sie unsere Trauer sieht, deshalb richtet sie uns aus, dass wir um ihretwillen doch versuchen sollten, glücklich zu sein.«
Wahrscheinlich hat Lee das Medium entsprechend in struiert, dachte sich Lawrence. Gesegnet sei sie dafür.
»Und sie hat gesagt, das neue Baby wird ein Mädchen werden, und Jamie ist so glücklich, dass es nach ihr benannt wird.«
Ihr jüngster Sohn Rob und seine Frau erwarteten gegen Weihnachten ihr drittes Kind. Sie hatten bereits zwei Jungen und wollten diesmal nicht vorab erfahren,
Weitere Kostenlose Bücher