Spürst du den Todeshauch: Thriller (German Edition)
er. Die Explosion. Das Mädchen, das damals zu mir in den Wagen gekommen ist.
Er versuchte sich nichts anmerken zu lassen. »Ich bin froh, wenn ich mit Ihnen ins Hotel kann. Ich hab’s mir überlegt. Ich kann nicht mehr raus auf die Straße.«
»Nein, das können Sie nicht«, stimmte Shirley Mercer ihm zu, obwohl sie Clyde vollkommen durchschaute. Wir liefern dich dort ab, und kaum bist du da, wirst du auch schon wieder Reißaus nehmen, dachte sie. Ich würde ja zu gern wissen, wie deine Vergangenheit aussieht, aber das, dachte sie, werden wir wohl nie erfahren. Sie erhob sich. »Ich hole jemanden, der Ihnen beim Anziehen hilft«, sagte sie. »Es gibt hier schöne warme Sachen für Sie.«
Hinter ihr sagte die Nachrichtenmoderatorin: »Zuschauer, die die Familie auf diesem Foto kennen, werden gebeten, um gehend folgende Nummer anzurufen …«
49
D er zweiundvierzigjährige Skip Hotchkiss besaß fünf Delikatessenläden in Irvington und Tarrytown, New York. Beides waren Vorstädte im Westchester County und lagen keine Fahrstunde von Manhattan entfernt. In seiner Kindheit war er nach der Schule oft zu einem Delikatessenladen auf Staten Island gegangen, wo seine Mutter nach dem Verschwinden seines Vaters gearbeitet hatte.
Der verständnisvolle Inhaber des Ladens, ein deutscher Einwanderer namens Hans Schaeffer, hatte sich um den Jungen gekümmert. Skip hatte im Raum hinter dem Laden seine Hausaufgaben gemacht, und als er älter wurde, hatte er die Regale aufgefüllt und Bestellungen ausgeliefert.
Die hausgemachten Salate, der Aufschnitt und die Apfelstrudel der Schaeffers waren köstlich. Häufig sah Skip Mrs. Schaeffer beim Kochen und Backen zu, bald half er ihr auch bei der Zubereitung. In der Schule hatte er viele Freunde, er war ein ausgezeichneter Schüler, nur für Sport hatte er wenig übrig. Der Delikatessenladen war der Ort, wo er sich wohlfühlte.
Um sechs Uhr abends gingen dann er und seine Mutter zusammen nach Hause. Sie wohnte immer noch in dem kleinen Haus, wo ihr Vater mit ihnen gelebt hatte. »Du darfst nicht glauben, dass er uns verlassen hat, Skip«, sagte sie. »Er hat uns sehr geliebt, aber als er vom Krieg nach Hause kam, war er so voller Angst. Etwas ist da passiert, worüber er nicht geredet hat, noch nicht einmal mit den Ärzten, die ihm helfen wollten. Schau dir die vielen Orden an, die er in Vietnam bekommen hat. Er hat dafür einen hohen Preis gezahlt.«
»Einen zu hohen Preis?«, hatte er dann immer gefragt, wie sich Skip erinnerte.
Und nie würde er das wehmütige Lächeln seiner Mutter vergessen, das daraufhin immer folgte. »Ja, der Preis war wahrscheinlich zu hoch.«
Nach der Highschool ging Skip mithilfe eines Stipendi ums an die Virginia Tech, wo er eine Kochausbildung absolvierte. Nach dem Abschluss arbeitete er zwei Jahre als Sous-chef in einem New Yorker Restaurant. Mr. Schaeffer stand damals kurz vor dem Rentenalter, und als es so weit war, übergab er Skip das Geschäft. Er verkaufte es, ohne eine Anzahlung zu fordern, und begnügte sich stattdessen mit zehnjährigen Ratenzahlungen. »Die Leute sagen, ich wäre verrückt«, erzählte er ihm damals. »Ich bin nicht verrückt. Ich kenne dich. Du hast den Laden in fünf Jahren abbezahlt.«
Genau so sollte es kommen. Zu diesem Zeitpunkt beschloss Skip, mittlerweile verheiratet und Vater von zwei Söhnen, dass er ins Westchester County ziehen wollte. Er verkaufte das Geschäft und eröffnete seinen ersten neuen Laden in Irvington. Jetzt, fünfzehn Jahre später, war er ein wohlhabendes und angesehenes Mitglied der Gemeinde. Keiner seiner vier Söhne trug den Namen Clyde. Er dachte oft an seinen Vater, der ihm den Spitznamen Skip verpasst hatte, weil er den richtigen Namen auch nicht gemocht hatte.
Seine Mutter Peggy war auf Staten Island geblieben. »Alle meine Freunde sind hier«, sagte sie. »Außerdem ist es ja nicht so weit, du kannst mich jederzeit besuchen.« Sie war mittlerweile Ende sechzig und sehr engagiert in ihrer Kirchengemeinde und in örtlichen Wohlfahrtseinrichtungen. Donald Scanlon, Witwer und langjähriger Nachbar, der lange als Polizist in New York gearbeitet hatte, hätte alles dafür gegeben, Peggy zu heiraten. Aber das, wusste Skip, würde nicht geschehen. Peggy war immer noch davon überzeugt, dass ihr Mann am Leben war.
Am Dienstagabend kam Skip, nachdem er die Runde durch seine Läden gedreht hatte, um Viertel vor sechs nach Hause. Seine Söhne waren zwischen zehn und sechzehn, und er hatte sich
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