Spürst du den Todeshauch: Thriller (German Edition)
haben. Es war nicht mehr zu sehen, was da drinliegt, außerdem war es ein langer Tag gewesen. Und heute Morgen hat unser Boss Sal gesagt, wir sollen uns erst mal nicht um die Grube kümmern, sondern vorher den ganzen Schutt wegräumen.«
An diesem Punkt beschloss Jose, kurz auf seine archäologischen Interessen hinzuweisen. Wer weiß, vielleicht hat einer der Polizisten ja eine Schwester, die Schulleiterin ist und einen Aushilfslehrer braucht, dachte er sich. Er erwähnte seinen Hochschulabschluss und sagte: »Also war ich neugierig und wollte mal einen Blick reinwerfen. Sal hat noch gemeint, ich soll mich beeilen, weil er mich ja immer mitnimmt. Also lauf ich zur Grube und schaue hinein und …«
Er schüttelte den Kopf. Das Bild des kauernden Skeletts mit den langen kastanienbraunen Haaren am blanken Schädel würde ihn noch lange verfolgen.
Jose und alle anderen Arbeiter wurden schnell von jedem Verdacht entlastet. Man überprüfte ihre Personalien, notierte sich Namen, Adressen und Telefonnummern, dann durften alle gehen.
Die Brandfahnder Frank Ramsey und Nathan Klein hatten mit den Ermittlungen zum Skelettfund von Tracey Sloane nichts zu tun. Natürlich würde man die Überreste einer Autopsie unterziehen, aber sie zweifelten schon jetzt nicht daran, dass es sich um die seit Jahrzehnten vermisste Person handelte. Die Ermittlungen unterlagen der Staatsanwaltschaft von Manhattan, wo der Fall ursprünglich bearbeitet worden war. Aber die beiden Brandfahnder blieben, bis ihr Vorgesetzter Tim Fleming eintraf und sich mit ihnen und den Polizisten aus Manhattan besprach.
Bei der Konferenz in der mobilen Einsatzzentrale kamen sie überein, nunmehr öffentlich bekannt zu geben, dass Jamie Gordons Notizblock im kaputten Möbelwagen gefunden worden sei und der verstorbene Obdachlose Clyde Hotchkiss zugegeben habe, sie tätlich angegriffen, allerdings nicht umgebracht zu haben.
Allen ging dabei der gleiche Gedanke durch den Kopf: Hotchkiss hatte vierzig Jahre auf der Straße gelebt. War es möglich, dass er sich schon vor achtundzwanzig Jahren auf dem Gelände herumgetrieben und, falls dem so war, er möglicherweise sowohl Jamie als auch Tracey ermordet hatte?
Laut der damaligen Befragung von Jack Worth wusste man, dass er Tracey einige Monate vor ihrem Tod die Kette mit dem Medaillon hatte schenken wollen, sie dies aber abgelehnt und ihm die Kette schließlich abgekauft hatte. Jack Worth hatte zugegeben, wie enttäuscht und verletzt er deshalb gewesen war. Aber er hatte geschworen, sie nicht umgebracht zu haben. Trotzdem hatte man ihn zu einer erneuten Befragung auf die Dienststelle geholt.
»Wir haben also einen Betriebsleiter, der zum Zeitpunkt von Traceys Verschwinden hier gearbeitet und schwer gekränkt war, weil sie sein Acht-Dollar-Geschenk abgelehnt hat. Wir haben einen toten Penner, der zugegeben hat, dass Jamie Gordon bei ihm im Möbellaster gewesen war, und der sich möglicherweise auch vor achtundzwanzig Jahren hier auf dem Gelände aufgehalten hat. Und wir haben einen Mörder, der mit Tracey zusammengearbeitet und am Abend ihres Verschwindens in seinem Alibi eine Achtzehn-Minuten-Lücke hat«, fasste einer der Polizisten alles zusammen.
Frank Ramsey und Nathan Klein hätten längst nach Hause fahren können, trotzdem warteten sie und sahen zu, wie die Grube fotografiert und nach weiteren Indizien abgesucht wurde, die Aufschluss über Traceys tatsächlichen Todesort geben konnten.
Es war fast zweiundzwanzig Uhr, als man unter grellem Scheinwerferlicht das Skelett auf die Bahre des Rechtsmediziners legte.
Dunkelblaue Stofffetzen, die einmal zu einer Freizeithose gehört hatten, und elfenbeinfarbene Wollfäden eines Pul lovers fielen zum Grund der Grube, als man Tracey Sloane aus dem Loch hob, in dem sie länger verborgen gewesen war, als sie jemals gelebt hatte.
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M ark Sloane hatte sein Essen im Marea kaum angerührt, als er Nick Greco mitteilte, dass er sofort aufbrechen wolle, um seine Mutter anzurufen. Nach der Beschreibung der Halskette zweifelte er nicht daran, dass die in Long Island City gefundenen menschlichen Überreste die seiner Schwester waren.
Auf einem der letzten Fotos, die sie nach Hause geschickt hatte, hatte sie das blaue Medaillon mit ihrem Namen ge tragen. Dazu hatte sie geschrieben: »Liebe Mom, lieber Mark. Wie gefällt euch meine neue Saphirkette? Ein Schnäppchen für acht Dollar, meint ihr nicht auch? Wenn irgendwann einmal mein Name auf dem Broadway groß rauskommt, kann
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