Spuk im Hotel
griff nach Justus’ Hand. »Oder er will mir den Verstand rauben. Nicht wahr, da hat es jemand auf mich abgesehen? Jemand, der weiß, wie sehr ich an all den alten Dingen hänge. Sie verschwinden, eins nach dem anderen.« Sie presste ihre Hand auf den Mund. »Und dieser Unhold lacht sich ins Fäustchen, wenn er sie irgendwo wieder auftauchen lässt.«
»Wer hat einen Schlüssel zu Ihrer Wohnung?«, wiederholte Justus. Obwohl er ihre Aufregung verstand, war ihm ihr Auftritt ein wenig peinlich. Diese ganze Geschichte gefiel ihm nicht. Außerdem musste er an Peter und Bob denken, die gemütlich in ihren Betten schlummerten, während er sich in aller Herrgottsfrühe mit diesen sonderbaren Zeitgenossen herumschlagen musste, die aus irgendeinem unerfindlichen Grunde die Chefin dieses Hotels piesackten.
»Wer soll einen Schlüssel zu meiner Wohnung haben?«, rief Amanda pathetisch. »Ich natürlich.«
»Niemand sonst?«
»Natürlich nicht.« Amanda warf ihm einen ungnädigen Blick zu. Offenbar hatte sie ihre Fassung wiedergewonnen. Es schien, als hielte sie schon den Gedanken, sie könne einem anderen einen zweiten Schlüssel überlassen haben, für abwegig. Oder für unanständig. Justus erinnerte sich an das, was Lys ihm erzählt hatte. Es hatte drei Männer in Amandas Leben gegeben. Der dritte und letzte war vor 14 Jahren gestorben, bald nach der Eröffnung des ›Old Star‹. Seitdem lebte sie allein.
»Kommt es vor, dass Sie Ihre Wohnung nicht abschließen?«
»Natürlich«, erwiderte Amanda, »soll ich mich denn in meinem eigenen Haus verschanzen wie in einer Festung?«
»Wie tief ist Ihr Schlaf?«, fragte Justus.
»Sehr tief. Wenn ich erst einmal eingeschlafen bin, könnte neben mir ein Platzkonzert stattfinden, ohne dass ich aufwache.« Amanda sprach schnell und aufgeregt. Außerdem glaubte Justus bei ihr ein Stirnrunzeln wahrzunehmen. Offenbar mochte sie nicht behandelt werden wie bei einem Polizeiverhör.
Justus brauchte nicht lange nachzudenken, sein Entschluss stand fest. »Es gibt zwei Möglichkeiten«, sagte er. »Die eine besteht darin, dass Bob und ich uns abwechselnd hier in Ihrer Wohnung auf die Lauer legen. Den ganzen Tag, aber auch die ganze Nacht, weil Sie ja so tief schlafen und den Dieb nicht hören, wenn er kommt. Das kann natürlich Tage dauern. Aber vielleicht kommt er gar nicht mehr in Ihre Wohnung. Das Gemälde hat er ja auch im Hotel – äh, geraubt.« Justus fand dieses Wort komisch, weil es so dramatisch klang.
»Und die andere Möglichkeit?« Der Ton, in dem sie das sagte, zeigte, dass Amanda wenig Gefallen an dem Gedanken fand, es könnte rund um die Uhr ein Fremder in ihrer Wohnung hocken.
»Ihre Hotelgäste und das übrige Personal wissen – abgesehen von der Wanduhr – nichts von den bisherigen Vorfällen, nicht wahr?« Justus sagte das wie eine Feststellung und bemerkte Amandas etwas erstaunten Blick. »Ich habe gestern Abend verschiedenen Gesprächen zugehört und daraus diesen Schluss gezogen.«
»Ganz recht«, erwiderte Amanda. »Natürlich hielt ich es für besser, das für mich zu behalten.« In ihrem Gesicht lag Bestürzung. »Solche Dinge sind ja nicht gerade eine Empfehlung für mein Haus.«
»Ich nehme an«, fuhr Justus fort, »es gibt eine Ausnahme: Henry.«
»Selbstverständlich«, sagte Amanda würdevoll. »Mr. Jones ist eine Person meines Vertrauens.«
Wegen dieses gestelzten Ausdrucks hätte Justus um ein Haar lachen müssen. Aber er beherrschte sich. »Wen von Ihren Gästen kennen Sie am besten?«
»Ich weiß nicht, was Sie damit meinen, junger Mann.« Amanda sah ihn fragend an.
»Ich meine, mit welchem Ihrer Gäste unterhalten Sie sich am liebsten?«
Amanda wurde ungeduldig. »Natürlich spreche ich mit allen meinen Gästen. Schließlich führe ich ein ausgesprochen familiäres Hotel. Ab und zu halte ich ein Schwätzchen mit Mr. Garfield. Oder mit Mr. Simpson. Oder mit Mrs. Silverstone. Aber was hat das mit diesen Vorgängen hier zu tun?« Amanda setzte sich auf die Kante ihres Betts, legte die Hände in den Schoß und sah ausgesprochen bekümmert drein.
»Wie diskret ist Mr. Simpson?«, wollte Justus jetzt wissen.
Amanda zuckte die Schultern. »Keine Ahnung. Ich fürchte, nicht sehr. Ich sagte ja, ab und zu plaudere ich mit ihm. Mit anderen tut er das auch. Eigentlich sieht man ihn ständig mit irgendjemandem plaudern.«
»Ausgezeichnet«, sagte Justus. »Dann ist er genau der Richtige.« Von Amandas erstauntem Gesichtsausdruck ließ er sich
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