Spuk im Hotel
nicht irritieren. »Ich möchte, dass Sie ihm noch vor dem Frühstück alles erzählen.«
»Was alles?«
»Alles über diese Ereignisse. Lassen Sie ruhig durchblicken, dass Sie nichts dagegen haben, wenn sich herumspricht, was hier vorgeht.«
»Und wozu das, junger Mann?« Amanda war alles andere als begeistert. »Es wird schlecht sein für das Ansehen des Hotels. Vielleicht wird sogar der eine oder andere abreisen, aus Angst, dass auch ihm etwas abhanden kommt. Es gibt ja keine Garantie, dass alles wieder auftaucht. Außerdem – das Gemälde ist schließlich vernichtet worden.«
Justus schüttelte den Kopf. »Sie müssen hervorheben, dass es bisher immer nur Sie getroffen hat und dass die Gäste nichts riskieren. Und so muss es Simpson auch erzählen.«
»Na schön.« Amanda nickte zögernd. Offenkundig war sie keineswegs überzeugt. Zwischen ihren Augen stand eine steile Falte. »Und wozu soll das gut sein?«
»Ich möchte sehen, wie die einzelnen Gäste auf die Mitteilung reagieren. Wir müssen den Gegner aus der Reserve locken.«
Simpson leistete ganze Arbeit. Es fehlte nicht viel, und er wäre beim Frühstück von Tisch zu Tisch gewandert, um sein Wissen über die unheimliche Serie von Einbrüchen in Amandas Privaträumen und die übrigen Aktionen auszubreiten. Justus bediente und beobachtete ihn und die anderen Gäste, die den dramatischen Bericht mit heftigem Kopfschütteln und Rufen der Abscheu aufnahmen.
»Unglaublich«, sagten Mr. und Mrs. Green wie aus einem Munde. Tim, ihr Jüngster, unterbrach sogar sein Lieblingsspiel beim Frühstück, nämlich mit einem Löffel gegen seine Teetasse zu klopfen. »Und woher wissen Sie das alles?« Mr. Green sah gespannt zu Mr. Simpson hinauf, der gerade eine weitere Scheibe Brot geholt hatte und auf dem Weg zurück zu seinem Tisch war. Justus schmunzelte. Er hatte Simpson durchschaut. Der ging bloß deshalb immer wieder zum Büfett, damit ihn die anderen Gäste ansprechen konnten.
»Alles aus erster Hand«, erwiderte Simpson und machte dabei ein äußerst bedeutendes Gesicht. Justus machte sich am Büfett zu schaffen und lauschte, wie Simpson auf Bitten von Mrs. Green nun schon zum dritten Mal die Beute der Missetäter herunterbetete.
»Ein Teppich, ein Gemälde, eine goldene Uhr, eine Wanduhr, ein Kamm, ein Handspiegel, eine noch sehr gut erhaltene Filmkamera aus den Vierzigerjahren –« Simpson hielt inne. »Sie wissen ja sicher, dass Amanda Black einmal eine große Schauspielerin war?«
Mrs. Green schien für alte Filme kein rechtes Interesse zu haben und kannte Amanda Black als Schauspielerin offenbar nicht. Aber ihre Neugier war durch die Mitteilung, dass die Herrin des Hauses einmal eine Hollywood-Größe gewesen war, noch erheblich gestiegen. »Was Sie nicht sagen«, tönte sie laut.
»Wenn in diesem Hause gestohlen wird«, rief jetzt Mrs. Hartford dazwischen, »dann möchte ich eigentlich nicht hier bleiben. Wer weiß, wann man selber an der Reihe ist!«
»Aber, Margarete. Du hast doch gehört, dass immer nur Amanda das Opfer ist.« Mr. Hartford legte seiner Frau beruhigend die Hand auf den Arm.
»Meine Herrschaften, es besteht nicht der leiseste Grund zur Aufregung!« Wie aus dem Nichts war plötzlich Henry Jones aufgetaucht. Er stand in der Mitte des Speisesaals und breitete ungelenk beide Arme aus. »Sie haben nichts zu befürchten. Dass Mrs. Black das Opfer eines so skrupellosen Verbrechers geworden ist, ist schlimm genug. Aber Sie dürfen ihr deshalb nicht untreu werden.«
Justus hatte erstaunt zugehört. Von seinem Äußeren her konnte man Henry eine solche Ansprache und den Mut dazu eigentlich nicht zutrauen. Er sah eher aus wie ein Landarbeiter, der lieber mit seinen Händen zupackte und das Reden anderen überließ. Vielleicht, überlegte Justus, ist er so selbstbewusst, weil die Chefin höchstpersönlich ihm so viel Vertrauen schenkt.
Beifälliges Gemurmel belohnte Henry. Matt Garfield, der fast siebzigjährige Stammgast, der jeden Sommer für ein paar Wochen hierher kam, wie Justus von Amanda wusste, klatschte sogar in die Hände. Wie am Vorabend saß er mit Simpson an einem Tisch. »Sehr richtig, Henry«, rief er, »wir dürfen Mrs. Black doch nicht dadurch bestrafen, dass wir abreisen. Stattdessen sollten wir ihr helfen, so gut wir können.«
»Wie können wir das?«, wollte Mrs. Hartford wissen. »Sollen wir Gäste etwa auf Verbrecherjagd gehen?«
»Es könnte jedenfalls nicht schaden, wenn wir alle die Augen ein wenig offen
Weitere Kostenlose Bücher