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Spuk im Hotel

Spuk im Hotel

Titel: Spuk im Hotel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Johanna Henkel-Waidhofer
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seine Fliege zurecht, während er Justus heranwinkte. Der hielt sich immer diskret im Hintergrund. Von Zeit zu Zeit war er sogar in der Küche verschwunden, hatte aber immer darauf geachtet, mitzubekommen, wovon im Speisesaal gesprochen wurde. »Einen letzten Whiskey, junger Mann!«, verlangte er. Justus runzelte die Stirn. Mit seinen bald 70 Jahren war Garfield nicht mehr der Jüngste, und das war nun schon der dritte Whiskey. Beim nächsten, nahm Justus sich vor, würde er höflich, aber bestimmt Widerspruch einlegen. »Glauben Sie mir, Edward«, sagte Garfield, »ich weiß, wovon ich rede. Ich schreibe ja selbst Kriminalromane. Die Leser wollen heutzutage starke Reize. Und wenn sie die nicht kriegen –« Er warf die rechte Hand in die Luft und ließ sie flach auf die Stuhllehne knallen. »– dann schalten sie den Fernseher ein. Da haben sie jede Menge davon.«
    Simpson erwiderte nichts. Aber Justus glaubte so etwas wie Spott in seinen Augenwinkeln zu erkennen, als er sich mit Garfields Whiskey auf einem kleinen Silbertablett dem Tisch der beiden näherte. »Also ich jedenfalls«, sagte Simpson, »ich finde es viel wichtiger, dass man sich die Leute vorstellen kann, die in dem Buch vorkommen. Und spannend kann eine Geschichte auch sein, ohne dass es gleich Mord und Totschlag gibt. Es muss doch nicht immer so spektakulär zugehen. Beispielsweise könnte ich mir vorstellen –« Er stockte.
    »Was könnten Sie sich vorstellen?«, wollte Garfield wissen.
    »– dass man ein sehr spannendes Buch über die seltsamen Ereignisse in diesem Hotel schreiben könnte.«
    »Tatsächlich?«, fragte Garfield. Wie er jetzt dreinsah, fand Justus, hatte er wieder eine äußerst starke Ähnlichkeit mit Einstein. Die runde Brille, die schulterlangen weißen Haare, die vielen kleinen Runzeln im Gesicht – wenn Justus wieder bei Tante Mathilda und Onkel Titus war, würde er im Lexikon noch einmal dieses berühmte Foto von Einstein studieren.
    »Tatsächlich«, stellte Simpson fest. Dabei fuhr er mit der Hand wieder über seinen kahlen Schädel. Dann starrte er die Hand an. Sein Blick wanderte von der Hand zur Decke hinauf. Justus sah, wie Garfield Simpsons Blick folgte, und dann entdeckte auch er die Bescherung.
    »Da tropft etwas«, sagte Simpson lakonisch und stieß seinen Stuhl zurück. Im Aufstehen wies er auf den großen grauen Fleck an der Decke, direkt über ihrem Tisch. An einer Seite hatte er schon fast die Wand erreicht. Justus fand, dass das sehr hässlich aussah. Er machte ein paar Schritte zu Simpson und Garfield. Über ihnen bildete sich schon der nächste Tropfen.
    »Aber wieso haben Sie denn nichts bemerkt?«, schnarrte Garfield Justus an und zerrte wieder an seiner Fliege. »Kommen Sie mit!«
    Justus sparte sich eine Antwort und lief hinaus. Über dieser Stelle des Speisesaals, kombinierte er, musste das Zimmer 179 liegen. Er schnappte sich den Schlüssel vom Brett und lief hinter Garfield und Simpson die Treppe hinauf in den ersten Stock.
    »Wer wohnt hier?« Garfield stand vor der Tür und machte ein missmutiges Gesicht. »Hört das denn nie mehr auf in diesem Haus?«
    »Niemand«, sagte Justus. »Zurzeit ist es frei.« Er steckte den Schlüssel ins Loch, drehte ihn um und zog mit zwei Griffen Schuhe und Strümpfe aus. Ein paar Sekunden später stand er bis zu den Knöcheln in einer Wasserlache, die den Flur von Zimmer 179 bedeckte. Er stieß die Tür zum Bad auf.
    Es war ein stilles, friedliches Bild. Dennoch war er überrascht. Eigentlich hatte er eine randvolle und überlaufende Badewanne erwartet. Aber voll war nur das Waschbecken, und hinein ergoss sich ein zarter Strahl aus dem Hahn. An allen Seiten lief das Becken über. Justus schnappte sich das nächstbeste Handtuch und drehte den Hahn sachte um. »Vielleicht sind Fingerabdrücke dran«, brummte er. Und dann sah er, verzerrt und schwankend durch das Wasser, ein gelbes Etwas, das den Abfluss knapp unter dem Rand des Waschbeckens verstopfte. Vorsichtig, ohne es herauszuziehen, tastete Justus unter Wasser nach dem Material. Es fühlte sich glatt und seifig an, wie Leder.
    »Ich glaube, wir sollten da mit anfassen«, hörte Justus eine Stimme. Es war Simpson, auch er war barfuß. Er schien eine praktische Ader zu haben, denn er holte sämtliche Hand- und Badetücher von den Stangen, faltete sie auseinander und warf sie zu Boden. Dann begann er, eins nach dem anderen über der leeren Badewanne auszuwringen. Garfield stand direkt hinter Simpson und sah noch

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