Spur der Flammen. Roman
mit ihren Seelen und mit dem Leben nach dem Tode, nicht mit Einschaltquoten, Verbraucherindizes und Profitmargen.
Und aufgrund ihrer Beschäftigung mit der antiken Welt hatte Candice auch John Masters kennen gelernt. Sie erinnerte sich noch genau, was er gesagt hatte, als sie leidenschaftlich vom alten Ägypten gesprochen hatte. »Sie sind auf der Suche nach etwas, Candice.«
»Nach Antworten!«, hatte sie impulsiv erwidert. »Nach der Entschlüsselung von Geheimnissen. Was wurde aus Nofretete, nachdem das Reich ihres Gatten zusammengebrochen war?
Wer war der Pharao des Exodus?«
»Nein«, hatte Masters nachdenklich entgegnet. »Sie sind auf der Suche nach Ihrer Seele.«
Krach!
Sie fuhr hoch. Horchte, sah die Schatten die Mauern entlangkriechen, spürte ihr Herz rasen. Huffy musste mit ihrem unmöglich langen Schwanz etwas umgestoßen haben.
Es war besser, sie schaute nach.
Glenn war gerade dabei, sich nach dem Duschen mit einem Badetuch abzutrocknen, als sein Blick in den Spiegel und auf die hässliche Narbe an seinem rechten Schulterblatt fiel. Er konnte sich noch auf den Tag genau erinnern, wann sie ihm zugefügt worden war, und er geglaubt hatte sterben zu müssen. Sherri war an jenem Tag bei ihm gewesen. Er sah ihr blasses Gesicht genau vor sich, wie sie sich über ihn beugte, und fragte sich, was sie heute wohl machte. Höchst wahrscheinlich immer noch Extremklettern. Schon merkwürdig, wie nahe man sich einem Menschen wähnen konnte, bis hin zu dem Gedanken an eine Heirat. Dann fielen auf einmal die gemeinsamen Interessen weg und beide Partner entfremdeten sich. Wie sich später herausstellte, war es allein das Klettern gewesen, das sie beide verbunden hatte.
Seine Gedanken wanderten zu Candice Armstrong.
Eine Frau mit Schneid, aber zu impulsiv. Eine Draufgängerin. Glenn kannte die Geschichte von dem Faircloth-Skandal und der Grabkammer Tetefs. Sie besaß Mut, das musste man ihr lassen, aber Glenn hätte die
ganze
Sache anders angefangen, wäre ruhiger, methodischer und nach allen Regeln der Vernunft vorgegangen. Am Ende wäre das Resultat zwar das gleiche gewesen – Faircloths Ruf ruiniert –, dennoch hätte er selbst keinen Schaden davongetragen, wie es jetzt bei Candice der Fall war. Ihre berufliche Perspektive am Boden. Eine ungeduldige Frau. Nicht gerade der geeignete Partner zum Steilwandklettern.
Er zog sich eine schwarze Hose und ein schwarzes T-Shirt an, dann griff er nach dem Telefonhörer und rief seine Dienststelle an. Zu seinem Fall lag nichts Neues vor.
Warum war sie nicht verheiratet? Oder war sie etwa mit ihrem Beruf verheiratet? Welche Wut und Leidenschaft in ihren Augen brannten, als sie die Sachen vom Boden der kleinen Kammer auflas, die den Kern ihres Universums bildete – wie eine Mutter, die ihre Kinder verteidigt.
Er verdrängte die Gedanken an Candice Armstrong und konzentrierte sich stattdessen auf Philo Thibodeau. Jahrelang hatte er nicht mehr an diesen Mann gedacht, und doch hatte sein unerwartetes Auftauchen die Alarmglocken in seinem Hinterkopf läuten lassen.
Und Erinnerungen freigesetzt: an seine Mutter, Lenore, die Professorin und an ihre engsten Freunde, Sandrine Thibodeau und ihren Mann Philo.
Die vier waren enge Freunde. Sandrine und Lenore hatten gelegentlich kleine Reisen oder Spritztouren ohne ihre Männer unternommen. Wann immer Glenn fragte, wohin sie gefahren seien, tätschelte seine Mutter seine Wange und sagte: »Reine Mädchensachen, Liebling.« Er hatte sich immer ausgemalt, sie verbrächten ihre Zeit in einem exklusiven Schweizer Kurort, wo sie in Schlammbädern versanken und grässliche Kräutertees tranken. Er erinnerte sich jetzt auch wieder, dass er Philo schon damals nicht leiden konnte, jedoch nicht zu sagen wusste, warum. Vielleicht lag es an der Art, wie Philo Glenns Mutter zum Lachen brachte, wie er ihr in den Mantel half, wie er sie auf eine Weise berührte, die der damals acht-, zwölf- oder fünfzehnjährige Glenn nicht angemessen fand. Und ihr Mann, der Professor, war ahnungslos.
Morven.
Glenn erstarrte. Wo kam
das
auf einmal her?
Dann tauchte eine andere Erinnerung in ihm auf: Es war nach dem Begräbnis seiner Mutter. Er litt unter Schlaflosigkeit, zwang sich schließlich zu Schlaftabletten. Eines Nachts wachte er wie benebelt auf, hörte Stimmen im Untergeschoss, zornige Stimmen von zwei Männern, der eine drohte dem anderen ihn umzubringen. Glenn war so schlaftrunken, dass er die beiden Männer nicht erkennen, nicht
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