Spur ins Eis
auf den nächsten Tisch, der besetzt war, einige Meter entfernt. Ein junges Paar, das nur Augen füreinander hatte.
Kalyn sagte : »Wie kommen Sie auf die Idee, dass wir Ihnen das gerade jetzt sagen ?«
Javier schnaubte. Es rauschte in der Leitung. »Weil ich diesen Moment in meine Überlegungen einbeziehe, wenn ich Sie finde. Sie haben jetzt noch die Gelegenheit, eine schnellere Todesart zu wählen. Dieses Konzept ist sicher schwer zu begreifen. Ich bin, wo ich bin, Sie sind, wo Sie sind, und Sie glauben sicher, dass wir uns nie wiedersehen werden. Aber ich kann Ihnen versprechen, dass wir uns wiedersehen werden. Und ich werde sie beide ermorden, und es wird mir große Freude bereiten, es so langsam wie möglich zu tun.«
Will legte den Arm um Devlin, blickte sie an und schüttelte den Kopf.
»Sie sollten sich jetzt den Moment vorstellen, wenn ich Sie in meiner Gewalt habe. Ich biete Ihnen den Tod an. Nicht sofort. Aber doch beträchtlich schneller, als er eintreten würde, wenn Sie sich weiterhin weigern, mir Auskunft zu erteilen.«
Kalyn sagte : »Hallo ?«
»Ja, ich bin hier.«
»Oh, tut mir leid, ich konnte Sie etwa fünfzehn Sekunden lang nicht verstehen. Hören Sie, ich mache es Ihnen leicht. Uns geht es nur um Jonathan. Haben Sie ihn vorgewarnt, dass wir kommen ?«
Drei Sekunden Pause, dann sagte Javier : »Nein.«
»Das ist gut, Javier. Wie Sie wissen, sollen wir ihn heute Abend treffen. Wir machen ihm schon klar, warum Sie nicht da sein können, aber eines möchte ich klarstellen. Hören Sie zu ?«
»Ja.«
»Wenn es gut geht und Jonathan offensichtlich nicht vorgewarnt wurde, bekommen Sie morgen einen Anruf und jemand wird Ihnen sagen, wo Sie Ihre Familie finden.«
»Das ist inakzeptabel.
Kalyn nahm den Blackberry herunter und drückte auf » BEENDEN «.
Sie legte das Gerät auf den Tisch.
»Was machst du da ?«, fragte Will.
»Ihn schwitzen lassen. Was haben wir zu verlieren ? Unser Treffen. Was hat er zu verlie …« Der BlackBerry summte. Kalyn drückte auf » EMPFANG « und sagte : »Ich weiß nicht, aus welchem Drittklässler-Schulbuch Sie Ihre Verhandlungsfähigkeiten gelernt haben, aber Sie sind keinesfalls in der Position, die Regeln zu diktieren. Wir rufen Sie morgen unter dieser Nummer an, wenn mit Jonathan alles gut geht. Wenn nicht, hören Sie nie wieder von uns, und Ihre Frau und Ihr Sohn werden in den nächsten Tagen verdursten.«
Er antwortete nicht. Will hörte ihn nur atmen.
»Sagen Sie, dass Sie mich gehört haben, Javier.«
»Ich habe Sie gehört.«
Kalyn beendete das Gespräch.
»Wir müssen den Treffpunkt ändern«, sagte Will. »Es gefällt mir nicht, dass Javier weiß, wo wir uns treffen. Es kann sein, dass er Jonathan nicht warnt, aber ich könnte mir vorstellen, dass er uns auflauert.«
»In Ordnung. Ich schicke Jonathan eine SMS , dass er sich einen anderen Treffpunkt aussuchen soll.«
I-84 durch Idaho. Twin Falls. Gooding. Mountain Home. Als sie Boise erreichten, sah Kalyn von der Autobahn aus ein Einkaufszentrum und nahm gerade noch rechtzeitig die Ausfahrt.
Es war Nachmittag. Die Sonne strahlte von einem klaren Herbsthimmel, das Laub der Bäume leuchtete tiefrot und leuchtend gelb, und auf den Gipfeln der Hügel, die sich hinter der Stadt erhoben, lag schon der erste Schnee.
»Kommt, wir gehen einkaufen«, sagte Kalyn und fuhr auf einen Parkplatz vor einem ausgedehnten Einkaufszentrum.
»Für wen ?«, fragte Will.
Kalyn drehte sich nach ihm um. »Für dich. Sieh dich doch an.«
Will blickte auf seine zwei Tage alten Kleider – eine alte Jeans, Tennisschuhe, ein verblichenes Flanellhemd mit hochgekrempelten Ärmeln.
»Sie hat recht, Dad«, sagte Devlin. »Du brauchst was Neues.«
»Das ist mein Stil.«
Kalyn lachte. »Wie heißt er ?«
»Ich lebe in Colorado und bin viel an der frischen Luft. In diesem Outfit kann man Holz hacken.«
»Ist das ein Verkaufsargument ?«
»Willst du etwa behaupten, dass Frauen Naturburschen nicht lieben ?«
»Na ja, du brauchst auf jeden Fall etwas zum Anziehen für heute Abend. Wir wollen ja keine Frauen beeindrucken, Will. Du sollst aussehen wie ein Alpha.«
In der Mall war es wie ausgestorben. Sie aßen etwas zu Mittag und setzten sich auf eine Bank neben einem Brunnen, auf dessen Boden angelaufene Pennies und ab und zu auch ein Nickel lagen.
Als sie aufstanden, verkündete der BlackBerry eine neue Nachricht.
Kalyn zog ihn aus der Tasche und seufzte vor Erleichterung. »Er hat zurückgeschrieben. ›Ausfahrt
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