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Spur nach Ostfriesland

Spur nach Ostfriesland

Titel: Spur nach Ostfriesland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sommer
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angingen. Er konnte ihn gut verstehen. Und jetzt erkannte er auch den Jungen. Meine Güte, als wenn das Kind noch nicht genug durchgemacht hätte!
    Marilene stieg aus und schlug die Tür hinter sich zu. Ihr Blick wanderte von Lübben zu Zinkel, und sie riss erstaunt die Augen auf. »Oh«, sagte sie, »was machen Sie denn hier?«
    »Das wollte ich Sie auch gerade fragen.«
    »Hab ich was verpasst?« Lübben hob die Brauen.
    »Nicht nur du«, erklärte Zinkel. »Das ist Marilene Müller«, er legte um der Pointe willen eine Pause ein. »Rechtsanwältin aus Wiesbaden.«
    »Okay.« Lübben dehnte das Wort zu einer Frage. »Aus dem Warum halte ich mich raus. Jetzt will ich wissen, was Sie zum Hergang zu sagen haben. Mein Kollege sagt, den Sturz haben Sie nicht gesehen? Warum glauben Sie dann an einen Mordversuch?«
    »Versuch?«, echote Müller. »Sie lebt? Ihr Puls war so schwach, und nach einer Weile habe ich ihn gar nicht mehr gespürt, sodass ich dachte, sie wäre tot.«
    »Noch ist sie nicht gestorben, aber ich weiß nicht, wie ihre Chancen durchzukommen stehen.« Lübbens Tonfall war sachlich, aber drängend.
    »Ja, okay«, sie versuchte sichtlich, sich zusammenzureißen. »Wir haben geklingelt, und sie kam an die Sprechanlage. Ich habe mich vorgestellt und gefragt, ob wir uns unterhalten können. Sie hat gezögert, aber dann doch ja gesagt, uns aber gebeten, die Treppe zu nehmen. Sie hat uns übers Geländer beobachtet. Ich glaube, sie hatte große Angst. Als wir dann oben waren, stand sie nicht mehr da. Ich wollte klingeln und habe gemerkt, dass die Wohnungstür nur angelehnt war. Auf mein Rufen hat sie nicht reagiert, und so sind wir reingegangen. Die Terrassentür stand offen, und –«, sie stockte, »ich wusste sofort, dass etwas passiert ist.«
    Sie wischte sich ungehalten eine Träne von der Wange, bevor sie fortfuhr. »Wir sind mit dem Fahrstuhl runtergefahren, unterwegs habe ich den Notruf gewählt, und dann habe ich sie mit allem, was ich hatte greifen können, zugedeckt, mehr konnte ich doch nicht machen, ich hab mich nicht getraut sie zu bewegen, so, wie sie dalag.«
    »Ich bin sicher, das war genau richtig«, sagte Lübben beruhigend, »aber wie kommen Sie darauf, dass es sich um einen Mordanschlag handelt?«
    »Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie uns hineingelassen hätte, wenn sie die Absicht hatte, sich von der Terrasse zu stürzen. Das wäre unlogisch.«
    »Ich bezweifle, dass Selbstmörder logisch vorgehen, ehrlich gesagt. Wie haben Sie sie überhaupt dazu gebracht, Sie hineinzulassen? Wir haben nämlich gedacht, dass sie nicht zu Hause sei, weil sie nicht mal an die Sprechanlage gegangen ist.«
    »Na, ist doch klar.« Arne hatte, unbemerkt von ihnen allen, das Seitenfenster heruntergelassen. »Die Frau hat vorher beobachtet, wer da kommt, und vor Marilene musste sie keine Angst haben. Vor mir auch nicht.«
    Irgendwie klang da ein Vorwurf an, fand Zinkel. »Hey Arne«, sagte er, »alles klar?«
    Arne stieg aus. »Hallo, Paul. Geht schon.« Das blasse Gesicht strafte seine Nonchalance Lügen.
    Marilene versuchte vergeblich, ihn zu bewegen, wieder einzusteigen. Sie nahm ihn in den Arm, die Bewegung wirkte ungelenk, und Zinkel erkannte, dass sie sich bemühte, unauffällig seine Ohren einigermaßen abzudecken. Nicht wegen der Kälte, nahm er an und fürchtete, dass das nicht viel nutzte.
    »Es ist niemand sonst im Haus gewesen«, fuhr Lübben fort. »Es fällt mir also schon schwer, Ihrer Theorie zu folgen.«
    »Doch«, widersprach Müller, »da war ein Paketbote, der nach uns ins Haus gekommen ist. Vielleicht …« Sie verstummte angesichts Lübbens skeptischer Miene.
    Zinkel mutmaßte, dass er an den sprichwörtlichen Gärtner dachte.
    »Haben Sie den Kollegen das schon erzählt?«, fragte Lübben.
    »Nein«, sagte sie kleinlaut. So, wusste Zinkel, hätte Hartmann sie am liebsten. »Es ist mir gerade erst wieder eingefallen.«
    »Beschreibung?«
    »Ich habe nur einen ganz kurzen Blick auf ihn werfen können, bevor er im Fahrstuhl verschwunden ist. Er trug eine Baseballkappe, wie die meisten Boten, und einen Blouson, grau, dunkelgrau. Die Dinger lassen jeden dick aussehen, aber seine langen Beine sind mir aufgefallen, und irgendwie glaube ich, dass er eher schlank war, aber das kann natürlich getäuscht haben.«
    »Hafner«, sagte Lübben.
    »Der Zahnarzt«, fuhr Zinkel dazwischen und hoffte wider besseres Wissen, dass Müller den Namen nicht gehört hatte. Die Größe allerdings käme auch

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