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Spur nach Ostfriesland

Spur nach Ostfriesland

Titel: Spur nach Ostfriesland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sommer
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Ihnen denn je etwas über die Zeit vor der Entführung erzählt? Oder über die Entführung selbst?«
    »Nichts, was für mich einen Sinn ergeben würde«, entgegnete Schuch, »aber kommen Sie ruhig herein und fragen Sie sie selbst.« Er ging ihm voran zur Wohnungstür, drehte den außen steckenden Schlüssel, öffnete und ließ Hartmann an sich vorbei.
    Hartmann betrat den hell gestrichenen Flur, von dem aus eine offene Wendeltreppe ins Obergeschoss führte. Ein einziges nichtssagendes Blumenbild und zwei Stühle an der Wand vor der Treppe verliehen dem Eingangsbereich den sterilen Charme eines Wartezimmers. Seine Schritte klackten auf dem Parkett, als er Schuch ins Wohnzimmer folgte.
    Phantasie in Violett, ein Etikett, das ihm normalerweise nicht einfallen würde, doch der Kontrast zum Flur war schlicht überwältigend. Hier waren drei Wände dunkellila gestrichen, die vierte blassrosa. Cremefarbene Couchgarnitur, Essgruppe aus Rattan, Schrankwand aus heller Birke. Viel Silber, von Bilderrahmen über Lampen und Kerzenständer bis zu diversen Figuren, die hier und da dekorativ angeordnet waren, Schnickschnack oder Kunst, einerlei, auf jeden Fall voll durchgestylt, etwas, das er gar nicht schätzte, vermutlich aber einiges an Zeit und Geld erfordert hatte. Die Frau auf der Couch legte ihr Strickzeug aus der Hand, bevor sie aufstand, ein Lächeln anknipste und auf ihn zukam.
    »Liebling, das ist Kommissar Hartmann. Er hat vorhin angerufen und möchte mit dir sprechen.«
    Das Lächeln erlosch, doch immerhin reichte sie ihm zur Begrüßung die Hand und wies dann auf die Essgruppe.
    Hartmann fügte sich ihrer Aufforderung und setzte sich. Zögernd folgte sie ihm, faltete die Hände auf dem Tisch und starrte darauf hinab. Kleines Mädchen in der Kirche, dachte er gehässig, ihr Gehabe irritierte ihn schon jetzt, und er ahnte, warum Schuch, der hinter ihr stand, die Hände auf der Lehne ihres Stuhls, so unglücklich war.
    »Sie sind entführt worden«, begann er das Gespräch, von dem er fürchtete, es würde sich als extrem einseitig entpuppen. »Das ist es doch, was passiert ist, oder?«
    Sie senkte den Kopf zu einem Ja und hob gleichzeitig beide Schultern.
    Klare Ansage, Hartmann stöhnte innerlich. »Können Sie mir erzählen, was vorher passiert ist?«
    »Nichts eigentlich«, entgegnete sie. »Alles war wie immer.«
    Nichts war je wie immer, doch auch diesen Gedanken behielt Hartmann für sich. »Ist Ihnen vielleicht in den Tagen oder Wochen vorher jemand zu nahe getreten? War jemand besonders freundlich zu Ihnen? Oder zu unfreundlich? Sie hatten doch mit Publikum zu tun?«, versuchte er, konkreter zu formulieren.
    »Es geht dort zu wie im Taubenschlag, da nimmt man eigentlich kaum etwas wahr, wenn es nicht völlig aus dem Rahmen fällt.« Sie hielt inne.
    »Ja?« Hartmann nickte ermunternd.
    »Da war jemand, ein paar Tage vorher. Erst hat er einen Aufstand gemacht, wie lange das alles dauert, er hat mich richtig zur Schnecke gemacht. Aber als er dann fertig war, ist er nicht gegangen. Ich meine, erst hat er’s so eilig gehabt, und dann blieb er noch ewig da stehen. Er hat mich bei der Arbeit beobachtet, die ganze Zeit. Das hat mich ziemlich verunsichert, weil ich Angst hatte, dass er vielleicht im Auftrag meines Chefs da war. Dass es darum ging, einen Kündigungsgrund zu finden. Erst kurz vor Feierabend ist er gegangen. Aber wahrscheinlich hat das nichts zu bedeuten.«
    »Wissen Sie den Namen noch?«
    »Nein. Das ist zwei Jahre her, wie sollte ich?«
    »Was meinen Sie, wie lange war er da, eine halbe Stunde, länger?«
    »Eine Stunde bestimmt, vielleicht länger. Jedenfalls kam es mir so vor.«
    »Welcher Wochentag, können Sie sich erinnern? Und an welchem Tag sind Sie verschwunden?«
    »Dienstag.« Sie schnaufte. »Das ist der einzige Tag, an dem wir nachmittags geöffnet haben, »und er war am Abend da. Eine Woche vorher? Höchstens zwei.«
    »Haben Sie den Mann danach noch mal gesehen?«
    »Ich«, sie rang die Hände, »ich weiß nicht. Ich hatte das Gefühl, dass mich jemand verfolgt, aber ich konnte ihn nicht erkennen, er trug eine Baseballkappe – vielleicht habe ich mir das auch nur eingebildet.« Sie sprach immer hastiger und geriet zunehmend außer Atem. »Aber er könnte es gewesen sein, von der Statur her, jetzt, wo ich beides in Zusammenhang bringe, es wäre möglich. Er kam immer näher, und ich bin schneller gegangen, und trotzdem kam er näher, kurz vor dem Bahnhof hat er mich überholt, gelacht

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