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Spuren des Todes (German Edition)

Spuren des Todes (German Edition)

Titel: Spuren des Todes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith O'Higgins , Fred Sellin
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musste nach dem Schlag noch einige Zeit überlebt haben; wir gingen von vier bis sechs Stunden aus. Vermutlich war sie infolge der Blutung die ganze Zeit bewusstlos. Für eine gewisse Überlebenszeit sprach auch die Tatsache, dass sich die Blutung immerhin noch über die Großhirnhälften und in den Rückenmarkskanal ausgedehnt hatte.
    Das warf die nächste Frage auf, nämlich ob man die Schwerverletzte hätte retten können, wenn sofort ein Notarzt gerufen worden wäre. Doch die konnte niemand mit Sicherheit beantworten. Auf jeden Fall wären ihre Überlebenschancen auch dann nicht besonders hoch gewesen.
    Werner Manritz hatte angeblich selbst versucht, erste Hilfe zu leisten, zumindest behauptete er das. Zuerst habe er ihren Kopf hochgenommen, den Hals überstreckt und die Mund-zu-Mund-Beatmung durchgeführt. Da er damit nichts erreichte – Melanie Bricksmann war zu diesem Zeitpunkt vermutlich schon eine Weile tot –, wollte er es mit einer Herzdruckmassage probiert haben. Nur dabei, meinte er, könne es auch zu der Brustbeinfraktur gekommen sein.
    Wir hatten die Knochen im Bruchbereich von einem Osteopathologen untersuchen lassen, um herauszufinden, wann es zu der Fraktur gekommen war. Das Ergebnis bestätigte die Aussage des Installateurs immerhin insoweit, dass sie zeitnah zum Todeseintritt entstanden war. Allerdings werden bei Herzdruckmassagen für gewöhnlich Rippen gebrochen, oder das Brustbein in Kombination mit Rippen. Nur sehr selten ist eine isolierte Brustbeinfraktur die Folge.
    Aber das hieß eben nicht, dass diese Möglichkeit vollends auszuschließen war. Also galt:
in dubio pro reo
. Mir blieb nur, in dem Gutachten, das die Staatsanwaltschaft von mir angefordert hatte, darauf hinzuweisen, dass eine solche Fraktur auch durch das Beknien des Brustkorbs oder durch einen kräftigen Faustschlag gegen die Brust verursacht worden sein konnte.
    Dabei fällt mir ein, dass ich mich in diesem Gutachten noch mit einer anderen Fragestellung auseinanderzusetzen hatte, die mich etwas amüsierte – sofern man das unter diesen Umständen sagen konnte. Offenbar war sie durch einen Antrag des Rechtsanwalts von Werner Manritz aufgeworfen worden. Der wollte wissen, ob sich die Mund-zu-Mund-Beatmung des Opfers durch seinen Klienten und dessen Fühlen des Pulses rechtsmedizinisch nachweisen ließen. Wenn seine Aussage stimmte, hatte Werner Manritz, nachdem seine Wiederbelebungsversuche gescheitert waren, den Puls am Handgelenk von Melanie Bricksmann gefühlt, wie er das aus Filmen kannte. Da er dort nichts spürte, habe er an der Halsschlagader nach einem Lebenszeichen gesucht und zuletzt sein Ohr auf ihre linke Brust gelegt, um nach dem Herzschlag zu hören. Aber da sei nichts mehr zu hören gewesen, sagte er.
    Wie hätte man das nachweisen sollen? Noch dazu bei einer Leiche in diesem Zustand. Selbst wenn wir das Opfer am Tag seines Todes obduziert hätten, wäre das nicht zu machen gewesen. Bestenfalls hätte man anhand von DNA -Spuren feststellen können, dass er sie berührt hatte, aber nicht, zu welchem Zweck das geschehen war.
     
    Werner Manritz blieb in Untersuchungshaft, bis der Prozess gegen ihn begann. Da nicht bewiesen werden konnte, dass er seine Freundin vorsätzlich getötet hatte, wurde er wegen Körperverletzung mit Todesfolge verurteilt – drei Jahre Haft. Nach Verbüßung von zwei Jahren kam er wieder frei.
    Gegen seinen Stiefbruder wurde gar nicht erst Anklage erhoben. Er war an der Tat selbst nicht beteiligt, man hätte ihm höchstens Strafvereitelung vorwerfen können. Streng juristisch betrachtet, war die Leiche von Melanie Bricksmann ein Beweismittel. Und er hatte mitgeholfen, dieses beiseitezuschaffen. Allerdings hatte er es für Werner Manritz getan, einen nahen Familienangehörigen. Dafür sieht das Gesetz Straffreiheit vor.
    Nachtrag:
    Das Tötungsdelikt, auf das die Ermittler durch die Knochenfunde bei der Suche nach Melanie Bricksmanns Leiche gestoßen waren, wurde bis zum heutigen Tag nicht aufgeklärt. Fast ein halbes Jahr hatte es damals gedauert, bis die Identität des Mannes ermittelt werden konnte, von dem die Knochen stammten. Niemand hatte ihn vermisst gemeldet.
    Es handelte sich um einen Kosovo-Albaner aus Priština, der zum Todeszeitpunkt neunundzwanzig Jahre alt gewesen war. Er hatte seit sieben Jahren in Deutschland gelebt, ohne sich jedoch an einem festen Wohnsitz angemeldet zu haben. Wie es schien, hatte er ständig seinen Aufenthaltsort gewechselt und war immer bei

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