Spuren des Todes (German Edition)
Landsleuten untergeschlüpft. Seinen Lebensunterhalt bestritt er mit Straftaten – Diebstähle, Einbrüche, solche Sachen. Und irgendwann mit Drogenhandel. Dabei war er ins Visier der Polizei geraten und einmal auch verhaftet und erkennungsdienstlich behandelt worden. Außerdem hatte er bei einer Straftat DNA -Spuren hinterlassen, die in der zentralen Datenbank des Bundeskriminalamts gespeichert waren.
Aber damit allein hätte man wenig anfangen können, wäre es uns am Institut – in Zusammenarbeit mit Kollegen der Uni in Göttingen – nicht gelungen, aus den im Wald gefundenen Knochen und Geweberesten DNA -Material zu extrahieren. Das Verfahren, das dafür angewendet wurde, war kompliziert und hatte oft genug nicht funktioniert. Doch diesmal klappte es. Das DNA -Profil wurde mit den Daten beim Bundeskriminalamt abgeglichen, am Ende gab es einen Treffer. Die Lösung des Falls brachte es leider nicht.
VII. Aufgelauert
Der Täter musste aus nächster Nähe abgedrückt haben. Vielleicht hatte er den Lauf der Waffe sogar auf die Haut aufgesetzt. In der linken Wange der Leiche klaffte ein Einschussloch von vier Zentimetern Durchmesser; es war sternförmig aufgerissen. Ringsherum konnte man Schmauchspuren erkennen. Das Geschoss, eine Schrotpatrone, war in den Mundraum eingedrungen. Dadurch wurden Ober- und Unterkiefer zertrümmert, mehrere Zähne herausgerissen, die Zunge regelrecht zerfetzt. Im Weichgewebe des Mundraums steckten Dutzende Schrotkugeln, aber keine hatte die Gesichtsknochen oder die Haut von innen nach außen durchdrungen. Quer durch die mittlere Schädelbasis verlief ein Scharnierbruch. Andere Bereiche der Schädelbasis, in der sich ebenfalls zahlreiche Schrotkugeln befanden, wiesen Trümmerbrüche auf. Der Kopf war vom Schädelgrundgelenk abgelöst, das Schädelgrundgelenk selbst komplett zerstört, das Wirbelsäulenmark an der Gehirnbasis vollständig durchtrennt. Die Frau musste auf der Stelle tot gewesen sein.
Warum dann aber noch der zweite Einschuss, der den rechten Brustkorb getroffen hatte?
Auch der war aus kürzester Distanz oder aufgesetzt erfolgt, so dass sich die Schrotladung erst im Körper zerstreut hatte. Von außen sah die Wunde nahezu identisch aus: vier Zentimeter Durchmesser, die Wundränder grobfetzig aufgerissen und mit schwärzlichen Einsprengungen durchzogen, bei denen es sich wieder um Schmauchspuren handelte. Mit dem Unterschied, dass die Patrone hier vorher die Kleidung der Frau durchschlagen hatte: einen dunkelgrünen Parka, einen beigefarbenen Wollpullover, ein weißes Unterhemd und einen BH , ebenfalls in Weiß. Alle diese Kleidungsstücke waren um die Löcher, die das Geschoss in die Stoffe gerissen hatte, großflächig mit Blut durchtränkt. Und ein Stück von der Wolle des Pullovers war mit in die Wunde katapultiert worden.
Während der Schusskanal im Kopf geradezu waagerecht verlief, war der Brustkorb von links oben nach rechts unten durchschlagen worden. Dabei war die Patrone in die rechte Brusthöhle eingedrungen, die jetzt mit Blut gefüllt war. Von da hatten sich die freigesetzten Schrotkugeln ihren Weg durch den rechten mittleren Lungenlappen und durchs Rippenfell gebahnt, wo sie jeweils siebartige Verletzungen hinterließen. Im Unterhautfettgewebe und in der Muskulatur waren sie schließlich steckengeblieben.
Ich sammelte jede einzelne heraus und zählte insgesamt über fünfzig kleine Kugeln. Und das waren noch nicht alle. Auch in dem Bereich, wo die obere Hohlvene in den rechten Herzvorhof übergeht, fand ich welche. Sie hatten dort einen Riss hinterlassen, der zu einer Herzbeuteltamponade führte – im Herzbeutel befand sich Blut. Auch diese Verletzung hätte die Frau vermutlich nicht überlebt.
Als Todesursache schrieb ich später ins Sektionsprotokoll: »Kombination aus Halsmarkdurchtrennung und Verbluten«. Sie hatte so viel Blut verloren, dass man sehr genau hinschauen musste, um die Leichenflecken zu erkennen, die sich auf der Rückseite ihres Körpers ausgebildet hatten – äußerst spärlich.
Die Frau war noch nicht lange tot, als ihr Leichnam zur Obduktion ins Institut gebracht wurde – eine typische Eilsektion, keine fünf Stunden waren seit der Tat vergangen. Das wusste man in diesem Fall so genau, weil es eine Zeugin gab. Eine Nachbarin hatte – während sie in der Küche das Abendessen für ihre Familie vorbereitete – die zwei Schüsse gehört und war auf die Straße hinausgerannt. Sie soll noch gesehen haben, wie sich jemand
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