Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Spuren des Todes (German Edition)

Spuren des Todes (German Edition)

Titel: Spuren des Todes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith O'Higgins , Fred Sellin
Vom Netzwerk:
Aussage zur Todesursache zu treffen. In diesem Fall war ich mir sicher, dass es aufgrund der Blutung im Bereich der Hirnbasis zu einem zentralen Regulationsversagen gekommen sein musste. Allerdings konnte ich nur vermuten, wodurch die Blutung verursacht worden war. Der Abriss eines Gefäßes im Kleinhirn- oder Hirnbasisbereich kam am ehesten in Betracht, vermutlich als Folge eines kräftigen Schlags. Aber um diese Theorie zementieren zu können, mussten neuropathologische Untersuchungen angestellt werden.
    Darum kümmerte sich mein Chef persönlich, in Kooperation mit Mitarbeitern des Instituts für Neuropathologie der Uniklinik. Als Untersuchungsmaterial wurden das Gehirn, Teile der Hirnhaut, die Augäpfel und Rückenmark benötigt, die nach der Obduktion asserviert worden waren.
    Die Kollegen bestätigten zunächst meinen Befund und versuchten dann, eine Erklärung zu finden, wodurch es zu der Blutung gekommen sein könnte, und besonders, ob äußere Gewalt dabei eine Rolle gespielt hatte. Es hätte auch sein können, dass sie durch eine krankhafte Veränderung der Hirngefäße verursacht worden war, etwa durch ein Aneurysma. Damit ist eine Aussackung im Bereich der Hirngrundschlagadern gemeint.
    Als nächster Schritt wurden feingewebliche Untersuchungen angestellt. Hierfür nahm man Gewebsstücke aus dem Groß- und Kleinhirn, dem Hirnstamm, dem Rückenmark und aus beiden Augen und präparierte sie entsprechend. Das Gleiche geschah mit den Schlagadern der Hirnbasis. Wieder ließ sich keine innere Ursache, keine Krankheit, für eine solche Blutung finden. Es musste also ein Ereignis von außen stattgefunden haben. Und dabei konnte es sich am ehesten um eine Form von Gewalteinwirkung gehandelt haben, die heftig gewesen war, aber wiederum nicht so heftig, dass sie eine äußere Verletzung hinterlassen hätte – jedenfalls keine, die bei diesem Grad der Fäulnis sicher nachzuweisen gewesen wäre –, weder eine Schädelfraktur noch eine Platzwunde. Aber immerhin hatten wir beschriebene Unterblutungen am Mittelgesicht und am Hinterkopf feststellen können.
    Sollte tatsächlich eine einzige Ohrfeige zum Tod von Melanie Bricksmann geführt haben?
    Dann wäre es kein Totschlag gewesen, sondern Körperverletzung mit Todesfolge. Totschlag ist es dann, wenn man jemanden vorsätzlich tötet, und davon kann man bei einer Ohrfeige kaum ausgehen. Aber das zu bewerten, war glücklicherweise nicht meine Aufgabe. Allerdings konnten die rechtsmedizinischen Befunde, die ich zu liefern hatte, für das zuständige Gericht von großer Bedeutung bei der Urteilsfindung sein.
     
    Die Blutung, die wir bei Melanie Bricksmann als Todesursache definiert hatten, war eine Subarachnoidalblutung, eine Blutung unter die weiche Hirnhaut. Üblicherweise entsteht sie durch einen plötzlichen Einriss in krankhaften Wandaussackungen der Schlagadern an der Hirnbasis. Allerdings sind auch Fälle bekannt, bei denen es durch Gewalt gegen den Kopf zu diesen Rissen kam, ohne dass eine solche krankhafte Veränderung vorgelegen hatte. Damals war in der Fachliteratur von rund zweihundertfünfzig solchen Fällen die Rede – weltweit wohlgemerkt. Bei den meisten hatten Schläge mit der Faust zu diesen Rissen geführt. Und die Mehrzahl der Opfer war alkoholisiert gewesen, so dass man annahm, der damit verbundene Kontrollverlust über die Kopfhaltemuskulatur begünstige solcherart Verletzungen. Bis auf einen hatten alle Fälle, die in den Fachtexten beschrieben wurden, tödlich geendet. Weit mehr als die Hälfte der Opfer war innerhalb einer Stunde gestorben, und insgesamt über achtzig Prozent hatten nicht länger als zwölf Stunden überlebt.
    Die Frage, die nun im Raum stand, lautete: War Melanie Bricksmann auch ein solcher Fall?
    Nach allem, was wir wussten, war sie mit Ja zu beantworten. Der Tod der Frau war durch die beschriebene Gehirnblutung eingetreten, verursacht durch Gewalteinwirkung gegen den Kopf. Die Version mit der Ohrfeige dürfte nicht ganz gestimmt haben. Es wird wohl etwas mehr gewesen sein. Werner Manritz’ Stiefbruder hatte sich in einer Vernehmung an einen Satz erinnert, den der Ältere nach der Tat zu ihm gesagt haben soll: »Ich hab ihr eine Faust durchs Gesicht gezogen.«
    Inzwischen hatten wir auch die Ergebnisse der Blut- und Urin-Alkoholbestimmung des Opfers bekommen. Die Konzentration im Blut lag bei 1 , 7  Promille, die im Urin bei nicht ganz dem Doppelten. Für diese Differenz gab es folgende Erklärung: Melanie Bricksmann

Weitere Kostenlose Bücher