Spuren im Nichts
beschrieb den Eindringling an Bord der Hammersmith so gut sie konnte. Und die Kreatur im See. Offensichtlich stofflich. Grüne Augen, grüner Schimmer. Elektrische Felder. Freie Wasserstoffmoleküle. Methan, Sauerstoff.
»Ich kann dir ein Modell berechnen«, sagte Shepard einige Minuten später. »Allerdings glaube ich nicht, dass sich eine solche Lebensform auf natürliche Weise entwickeln könnte.«
Kim hatte unterdessen ein neues Taxi herbeigerufen und beobachtete nun, wie es näher kam. »Das spielt keine Rolle. Was hast du herausgefunden?«
»Ungleichmäßige Ladungsverteilung in individuellen Zellen.«
»Erklär mir das.«
»Ein lebendes System muss nicht notwendigerweise eine kohärente Umhüllung besitzen, eine Haut oder etwas in der Art. Es ist durchaus denkbar, dass Bereiche gegensätzlicher Ladungen, eingehüllt beispielsweise in einer Tasche aus ionisiertem Gas, recht effektiv geeignet sind, sich innerhalb des Systems gegenseitig zu manipulieren.«
»Das klingt wie eine lebende Batterie.«
»Ganz so einfach ist es auch wieder nicht. Lass es mich genauer erklären …«
»Nein, nein, das reicht mir. Könnte ein solches System Intelligenz entwickeln?«
»Ich weiß nicht genau, wie sich Intelligenz definiert, doch ich denke, es wäre durchaus zu höchst komplizierten Aufgaben imstande.«
»Beispielsweise ein Raumschiff zu steuern?«
»Durchaus möglich.«
»Woher würde es seine Energie beziehen?«
»Du hast angedeutet, dass es eine grünliche Färbung besitzt. Grüne Augen. Das könnte auf Chloroplasten hinweisen. Womit es imstande wäre, Sonnenlicht zu konvertieren.«
Sie wies den Flieger an zu starten. »Wie könnte man eine Kreatur wie diese bekämpfen?«
»Man müsste sie in extrem starke Winde locken. Die Moleküle voneinander trennen. Genügend externen Druck ausüben, sodass es nicht mehr imstande ist, seine Integrität aufrecht zu erhalten.«
»Es auseinander sprengen.«
»Ja. Ganz genau.«
»Was aber, wenn ich keinen Hurrikan zur Hand habe? Was könnte ich sonst noch einsetzen?«
»Ich würde sagen, dass es außerdem noch empfindlich auf Kurzschlüsse und hohe Elektrizität reagiert.«
Sie flog mit dem Taxi in die Stadt zurück und betrat einen Technikladen, der von einer älteren Frau in einem schicken schwarzen Kostüm geführt wurde. Sie besaß silbergraues Haar und ein sanftes Gesicht und wirkte irgendwie fehl am Platz, die Sorte von Dame, die man in einem Salon erwartete, wo über Kunst diskutiert wurde. »Kann ich Ihnen behilflich sein?«, erkundigte sie sich.
»Ja«, antwortete Kim. »Können Sie mir vielleicht verraten, ob irgendjemand in letzter Zeit bei Ihnen ein Modellraumschiff hat anfertigen lassen?« Sie zeigte ihr ein Foto der Valiant. »Es sieht aus wie das hier.«
Die Frau betrachtete das Bild. »O ja, ich erinnere mich«, sagte sie dann. »Wir haben ein solches Modell gemacht. Wir besitzen sogar noch die Schablone.«
Hab ich dich, Sheyel. »Wären Sie imstande, das gleiche Modell für mich zu bauen?«
»Das gleiche Modell?«
»Bitte.«
»Sicher, warum nicht.« Sie aktivierte einen Terminplaner auf ihrem Schirm. »Morgen um diese Zeit?«
»Oh«, sagte Kim. »Das ist zu lang, fürchte ich. Ich bin nämlich nur auf der Durchreise und mit dem nächsten Zug wieder weg. Ich hatte gehofft, Sie könnten es bauen, während ich hier warte?«
Die Frau nickte zu sich selbst und konsultierte erneut den Planer. »Es dauert etwa eine Stunde«, sagte sie dann.
»Sehr gut. Machen Sie es. Ich komme in einer Stunde wieder.«
»Aber es kostet einen Eilzuschlag.«
Die dritte Ausgabe der Valiant sah genauso aus wie die beiden anderen. Wenn das alles vorbei ist, sagte sie sich, dann habe ich ein wundervolles Andenken.
Die Besitzerin des Ladens verpackte das Modell in einer Schachtel und nahm die Bezahlung entgegen. Kim bedankte sich und ging zur Station. Sie kam gerade rechtzeitig an, um einem Frachtzug nach Osten hinterher zu sehen. Die Lichter wurden kleiner und kleiner, und dann erschien ihr Zug hinter einer Kurve.
Die Fahrt von Preserve nach Eagle Point dauerte knapp zwei Stunden. Sie versuchte zu schlafen, doch ihre Anspannung war zu groß. Nach einer Weile gab sie auf und beobachtete die Landschaft und die einbrechende Dämmerung.
Kurz vor halb neun abends betrat sie die Lobby des Gateway, meldete sich an, ging auf ihr Zimmer und aktivierte den Kommlink. »Ich brauche heute Nacht einen Flieger«, sagte sie.
»Selbstverständlich, Dr. Brandywine«,
Weitere Kostenlose Bücher