Spuren im Nichts
sagte Mary.
»Ja.« Kim ging langsam wieder zum Ausgang, während sie in ihrer Jacke fummelte, offensichtlich, um den Stift an seinem gewohnten Platz in einer Innentasche zu verstauen. Vor Marys Schreibtisch blieb sie stehen. »Mary, ich frage mich, ob Sie mir vielleicht eine Frage beantworten könnten?«
»Wenn ich kann?«
»Diese Geschichte mit Mr. Tripleys hübschem Raumschiffsmodell. Haben Sie ein Sicherheitsproblem in diesem Haus?«
»O nein! Nicht, dass ich wüsste. Es ist das erste Mal, dass so etwas geschehen ist. Ich bin sicher, die Angelegenheit wird sich aufklären, und das Modell taucht wieder auf. Wahrscheinlich hat es irgendjemand beim Saubermachen weggestellt oder so etwas.«
»Und die Putzkolonne kommt immer wann?«
»Nachts.«
Nach und nach gerieten sämtliche Steine des Puzzles an ihren Platz. Es war eine Frage der Wahrnehmung, und sie war genauso blind gewesen wie Tripley. Wer hätte das gedacht?
Sie fuhr mit dem Lift nach unten und nahm in bester Laune den Zug nach Blanchet Preserve. Von dort aus flog sie mit einem Taxi nach Tempest und zu Sheyel Tollivers Adresse. Auf dem Weg dorthin legte sie sich zurecht, was sie sagen würde, eine Mischung aus Ermahnung und Glückwünschen. Sie war immer noch in allerbester Stimmung und bereit zu feiern, und sie erwartete halb, dass er ihr aus dem Haus entgegen kam, während sie sich näherte. Er würde wissen, dass sie ihm auf die Schliche gekommen war, und er wäre sicherlich begierig, ihr seine Trophäe zu zeigen.
Es war zwar alles nicht ganz moralisch, doch sie verdrängte den Gedanken, während das Taxi durch die warme Mittagssonne glitt. Darüber nachdenken konnte sie auch später noch. Außerdem ging es schließlich genau genommen nicht um Diebstahl. Sheyel wollte genau wie sie nichts weiter, als ein offenes Rätsel zu lösen. Und beweisen, dass er von Anfang an Recht gehabt hatte.
Und bei Gott, sie würden der Welt die Augen öffnen!
Die Baumwipfel blieben zurück, und das Taxi umrundete Sheyels Haus. Die KI würde ihn in diesem Augenblick über den sich nähernden Besucher informieren und über das landende Taxi, doch die Haustür blieb geschlossen.
Der Flieger landete auf dem Rasen, sie bezahlte und stieg aus. Das Taxi hob ab.
Sie ging zum Vordereingang. Das Haus lag still und verlassen. »Sheyel«, sagte sie. »Herzlichen Glückwunsch.«
Der Nachmittag war angenehm warm und still. Insekten summten, und ein Eichelhäher beobachtete sie neugierig vom Rand eines Springbrunnens herunter.
»Sheyel?«
Eine sanfte Brise raschelte in den Baumwipfeln.
Sie blickte auf die leeren Fenster. Der Eichelhäher flatterte auf und landete auf dem Dach.
Kim probierte es über den Kommlink. Eine weibliche Stimme meldete sich. »Es tut mir Leid, aber Professor Tolliver ist im Moment nicht zu sprechen. Wenn Sie ihm eine Nachricht hinterlassen möchten, tun Sie das bitte jetzt.«
»Mein Name ist Kim Brandywine«, sagte sie der KI. »Ich arbeite für den Professor. Ich habe ein paar Ergebnisse, über die er sicherlich unverzüglich informiert werden möchte. Kannst du mich bitte mit ihm verbinden?«
»Es tut mir Leid, Dr. Brandywine, aber Professor Tolliver möchte nicht gestört werden. Sobald er sich meldet, werde ich ihm sagen, dass Sie versucht haben, ihn zu erreichen.« Die KI unterbrach die Verbindung.
Wo steckte Sheyel? Sie hätte anrufen sollen, bevor sie den ganzen weiten Weg hierher auf sich genommen hatte, aber sie war davon ausgegangen, dass sie ihn zu Hause antreffen würde, und sie hatte ihn überraschen wollen. Und seinen Coup mit ihm zusammen feiern, persönlich, wie es sich gehörte.
Sie ging um das Haus herum, doch sie sah niemanden, weder drinnen noch draußen.
Wohin konnte er gegangen sein?
Es gab nur einen Ort, der ihr einfallen wollte.
Sheyel hatte stets gesagt, dass nur wenige menschliche Handlungsweisen von Vernunft gesteuert wurden. Die Menschen handelten emotional und aufgrund von Vorurteilen. Sie wollen glauben, was sie immer geglaubt haben, und filtern sämtliche Beweise für das Gegenteil heraus. Bis sie eines Tages zu weit gehen und auf den Felsen der Realität stranden.
Wenn sie sich in Sheyel nicht täuschte, dann stand er selbst im Begriff, gegen ein paar Felsen zu laufen.
Sie rief Shepard bei sich zu Hause an.
»Du musst etwas für mich tun.«
»Selbstverständlich, Kim.«
»Ich möchte, dass du für mich eine Entität simulierst.«
»Verzeihung?«
»Betrachte es als intellektuelle Übung.« Sie
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