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Spuren in der Wüste

Spuren in der Wüste

Titel: Spuren in der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Cordes
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kann ich heute nacht hier schla-
    fen? Ich habe meinen Hausschlüssel vergessen und nach zwölf
    macht niemand in der Pension mehr auf. Die haben da Angst vor
    den Rockern, wissen Sie.«
    »Wo willst du schlafen?« Die ganze Familie, der Vater, die beiden
    Söhne, die Tochter, die Mutter, umringten Irene.
    »Ich stell' mir zwei Stühle zusammen. Das geht ganz gut.«
    Einer der Söhne sagte: »Sie kann bei mir schlafen!« Und alle lach-
    ten, denn Gino war erst vierzehn.
    »Oder bei mir!« rief der Vater, und seine Frau gab ihm einen
    Klaps auf den Mund.
    »Paolo bringt dich nach Hause«, entschied die Signora, »und er
    wird dafür sorgen, daß man dir aufmacht, deine Pension.«
    »Nein, bitte nicht. Verstehen Sie doch. Da war auch ein Mann
    heute im Lokal, und vor dem habe ich Angst.«
    Die dunklen Augen um sie her verengten sich. Angst, die verstan-
    den sie, denn zahlten sie nicht schon seit langem Schutzgeld, ohne
    je ein Wort darüber zu verlieren, an jene, die nichts anderes taten, als eben das Schutzgeld zu kassieren und in dicken Wagen herum-zukutschieren, so, wie es auch zu Hause gewesen war?
    »Also gut«, entschied die Signora, »du kommst mit uns nach
    oben, und du schläfst mit Silvana in ihrem Bett.« Und zu ihren
    Männern sagte sie: »Laßt alle Gitter herunter und schließt doppelt
    ab!«
    Silvana maulte zuerst, weil sie ihr Bett teilen sollte, aber Irene
    nahm sich nur eine Decke und wickelte sich darin ein und legte
    sich auf den Boden. Und bald schlief sie über den geflüsterten Ge-
    ständnissen des Mädchens über ihre leidenschaftliche Liebe zu ei-
    nem blonden Deutschen ein, oh, wie der küssen konnte, oh, wie
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    hell die Mondnächte in seinen Armen waren, oh, wie schlimm es
    wäre, würden die Eltern davon erfahren und ihre Brüder gar…
    Am nächsten Morgen explodierte eine kleine Bombe vor der Piz-
    zeria; die Scheiben gingen in Scherben. Niemand wurde verletzt.
    Familienrat wurde abgehalten.
    Schließlich sagte der Vater und richtete sich hoch auf und zog
    seinen Bauch ein, um sich mehr Würde und seinen Worten mehr
    Nachdruck zu verleihen: »Irena, wir haben dich eine Nacht lang ge-
    schützt. Aber verstehe, daß wir nicht mehr tun können. Du mußt
    gehen. Wir bitten dich, obwohl unser Herz blutet, geh. Und geh
    schnell und komme nie mehr hierher.«
    Und Irene ging. In der Pension wartete der Dunkle auf sie und
    gab ihr einen verschlossenen Umschlag und zweitausend Dollar
    und sagte zynisch: »Damit du uns nicht für kleinlich hältst. Aber es ist besser, wenn du vernünftig bist, nicht wahr? Heute morgen sind
    nur Fenster zu Bruch gegangen. Das nächste Mal könnte es auch
    etwas anderes sein.«
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    iemand hätte das Haus der Braunbachs verfehlen können – we-
    Ngen seiner Lage und weil es das schönste im Dorf war. Aber
    obwohl nun endlich nach knapp drei Wochen die Fensterläden
    und hier und da ein Fenster geöffnet waren, wirkte es verschlossen
    und abweisend.
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    Werner empfand es ganz deutlich, aber er gab sich einen innerli-
    chen Ruck und betrat den Vorgarten.
    Als er die Hand zur Messingklingel ausstreckte, wurde die Haus-
    tür schon geöffnet.
    Ein hochgewachsener Mann in einem dunklen Lodenanzug, der
    viel zu warm für die Jahreszeit war, stand dort. Seine Augen blick-
    ten streng, seine Stimme war ohne jede Spur von Höflichkeit: »Was
    wollen Sie?«
    »Mein Name ist Holt, Werner Holt. Ich bin ein Freund von
    Irene.«
    In den Augen des Mannes zuckte etwas Undeutbares auf, dann
    sagte er: »Sie lebt nicht hier.«
    »Das weiß ich, Herr Braunbach.«
    »Wer hat Sie dann zu uns geschickt?«
    »Niemand.«
    Die beiden Männer sahen sich an, und keiner wich einen Schritt
    zurück. Schließlich sagte Hans Braunbach: »Wenn Sie schon hier
    sind, kommen Sie rein.«
    Auch im breiten Flur, der zu der dem Garten zugewandten Küche
    führte, hatte Werner ganz deutlich das Gefühl, das Haus ströme
    Abweisung aus, ja, als sei es gar nicht bewohnt – und doch lebten
    drei Menschen hier.
    Hans Braunbach warf die Küchentür auf.
    »Besuch, Mutter«, sagte er nur.
    Am Herd hantierte eine schlanke, zierliche Frau, die, als sie sich
    umdrehte, so aussah wie Irene, wenn sie einmal alt sein würde.
    Aber auch in ihre Augen floß keinerlei Höflichkeit, keinerlei
    Freundlichkeit. Und sie blieb stumm.
    »Er hat nach Irene gefragt«, sagte Hans Braunbach.
    »Sie lebt nicht hier«, sagte seine Frau.
    »Das habe ich ihm auch schon erzählt.«
    »Was will er dann hier?«
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    »Das weiß ich

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