Spuren in der Wüste
welch eine lohnende Beschäftigung!« Ali spitzte seine vol en,
keinem Genuß abgeneigten Lippen.
»Laß mich an der Weide deiner Augen teilhaben, mein Freund,
beschreibe mir die Schöne.«
Bei Ali gab es nie einen Moment des Zögerns; er wußte, daß Wer-
ner nicht in seinen Laden kam, um dort bil ige oder auch teure An-
denken an die Heilige Stadt zu erstehen. Er wußte ja auch, daß
Werner Reporter war, eine Spürnase, wie er es bei sich nannte.
Werner beschrieb Irene, ihr herrliches kastanienbraunes Haar mit
den goldenden Lichtern, ihre großen Augen, deren Farbe wechselte
wie ihre Stimmungen und in denen man ertrinken konnte. Er be-
schrieb ihre Art zu gehen und zu sprechen; er erzählte, wie er sie
kennengelernt und wieder verloren hatte, und daß sie ohne Zweifel
von einem Geheimnis umgeben sei.
Ali Mohammed wiegte sich auf dem kleinen Schemel, mit halb-
geschlossenen Augen seinen Kaffee laut schlürfend.
»Du zeigst mir eine der Schönen, die uns der Prophet erst im Pa-
radies versprochen hat. Aber was tut sie hier in Jerusalem?«
»Ich weiß es nicht«, sagte Werner und berichtete, daß Irenes
Schwester ihm den Tip gegeben habe, Irene hier zu suchen.
»Und das ist alles?« fragte Ali Mohammed verwundert.
»Das ist alles, mein Freund.«
Alis schwere Lider hoben sich von den Augen, es war, als rollten
Jalousien hoch.
»Du erwartest keine sofortige Antwort von mir?«
»Natürlich nicht. Aber wenn du dich ein wenig umhören könn-
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test? Ich werde das gleiche in der neuen Stadt tun.«
»Wo kann ich dich erreichen?«
»Wie immer im King-David-Hotel.«
Ali leckte sich die Lippen. »Wirst du mich wieder dorthin zum
Essen einladen?«
Werner lachte. »Wann immer du willst!«
Ali Mohammed betrachtete das King-David-Hotel, was seinen
Glauben betraf, als exterritorial; er sprach dort nicht nur mit Ver-
gnügen der internationalen Küche zu, sondern schlürfte auch ge-
nießerisch Cocktails und Weine und Liköre, die das Mahl abrunde-
ten. Zu diesen Essen erschien er stets in einem weißseidenen, wal-
lenden Gewand, duftend nach Ambra und den Blütenwässern des
Orients. Man konnte ihn dann glatt für einen der Ölscheichs hal-
ten, die allerdings eher in Paris und London die Erste-Klasse-Hotels unsicher machten.
Vorerst aber drängte er Werner ein Stück purpurfarbener Seide
auf, die, wie er behauptete, direkt aus den Seidenspinnereien von
Damaskus stammte, und riet ihm, in der ersten Nacht der Liebe die
schönste aller Frauen darin einzuhüllen, damit ihre Haut wie Ala-
baster leuchte.
Werner bezweifelte amüsiert, daß Irene sich das gefallen lassen
würde.
Er ließ sich auch noch ein Gläschen Arrak aufschwatzen, das der
Prophet seinen Gläubigen erlaubt hat, wenn sie an Schmerzen der
Seele oder des Körpers leiden; und Ali versicherte glaubhaft, daß
ihn schon seit Tagen der Magen drücke, weil die Steuern wieder er-
höht worden seien.
Den Wechsel von der Altstadt Jerusalems zu den mit lärmenden
Amerikanern und Touristen erfüllten Hallen und dem Speisesaal
des modernen King-David-Hotels empfand Werner wie ein kaltes
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Bad.
Er aß nur ein Sandwich in der Cafeteria, ging dann auf sein Zim-
mer.
Er ließ sich eine Flasche Selters bringen und öffnete dann die Fla-
sche Brandy, die er auf dem Herflug von New York duty free er-
standen hatte.
Am Empfang hatte ihn Post erwartet, und diese öffnete er jetzt.
Seine Redaktion in Hamburg hatte ihm zwei Briefe nachgesandt,
der eine war von Inge:
»Lieber Werner,
nach dem ersten Schock, daß es zwischen uns aus ist, bin ich jetzt ganz ruhig. Wir haben zwei schöne Jahre zusammen gehabt und sollten deswegen Freunde bleiben. Ich bin aus Deiner Wohnung ausgezogen und habe eine sehr hübsche Wohnung in einer kleinen alten Villa an der Alster gefunden. Hier auch meine neue Telefonnummer… Wenn Du wieder mal in Hamburg bist, ruf mich ruhig mal an.
Herzlich Inge.«
Werner war sehr erleichtert und froh, daß sie ihre Trennung jetzt so gelassen hinnahm, und er schrieb ihr sofort zurück, daß sie auf alle Fälle Freunde bleiben würden und sie immer als Freund auf ihn
zählen könne.
Der zweite Brief zeigte die runde, junggebliebene Schritt seiner
Mutter:
»Lieber Werner,
ich weiß nicht, wo Du im Moment herumschwirrst; deswegen sende ich den beiliegenden Brief an die Redaktion. Paß gut auf Dich auf, iß ordentlich und sorge für genügend Schlaf. Uns geht es gut. Vater und ich sprechen täglich von Dir.
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