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Spuren in der Wüste

Spuren in der Wüste

Titel: Spuren in der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Cordes
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als Beispiel dafür, wie unvorsichtig sich manche Leute im
    Urlaub in fremden Ländern verhalten«, erwiderte Werner.
    »Das kannste laut sagen.« Zwi schüttelte den Kopf. »Die Fletchers
    haben sich einen VW gemietet und sind damit nicht etwa auf unse-
    ren schönen ausgebauten Straßen durch unsere schönen Wüsten
    kutschiert, sondern auf Trampelpfaden der Kamele. Jim Fletcher,
    Oberhaupt irgendeiner Sekte in Kalifornien, wollte die Wüste ken-
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    nenlernen, wie euer Herr Jesus sie erlebt hatte. Als Wegzehrung
    nahmen die Fletchers zwei Flaschen Cola mit, aber nicht mal einen
    Flaschenöffner.
    Wie seine Frau später berichtete, begegneten sie unterwegs Bedui-
    nen, und nur knapp eine halbe Stunde später hatten sie eine Rei-
    fenpanne.
    Und jetzt paß auf, weder Jim Fletcher, ein gestandener Mann um
    die Vierzig, noch sie, seine junge Frau, so um die Zwanzig, konnten
    mit dem Wagenheber umgehen, und sie schafften es nicht, das Rad
    zu wechseln.
    Sie hatten sich einen besonders heißen Tag ausgesucht, und dazu
    wehte noch ein Chamsin. Die beiden Colas waren lauwarm, und
    als die Fletchers sie mit Nagelschere und Nagelfeile aufkriegten,
    schoß der halbe Inhalt raus.
    Danach entschlossen sich die Fletchers, mit dem Rest des Colas
    gestärkt, sich zu Fuß weiter auf den Weg zu machen.
    Seine Frau gab später zu Protokoll, er habe darauf bestanden, ei-
    nem Wadi zu folgen, einem ausgetrockneten Flußbett, weil, wie er
    sagte, das Wadi hinab zum Toten Meer führen müsse und zu der
    daran entlangführenden Asphaltstraße.
    Sie machten sich also auf den Weg. Nach 'ner Stunde oder so
    hatte er 'nen Herzanfall, und es wurde beschlossen, daß sie allein
    weitergehen sollte.
    Das war nachmittags. Am anderen Morgen, es wurde gerade hel ,
    geriet sie wirklich auf die Straße und hatte Glück, eine Militärstreife griff sie auf. Bloß konnten die Jungens kaum Englisch und verstanden nur Bahnhof, also nahmen sie sie mit in ihr Camp, und dann
    wurde die Suche nach Jim Fletcher eingeleitet. Zu Fuß und aus der
    Luft per Hubschrauber.
    Aber alle Wadis sahen jetzt gleich aus, und es dauerte fünf Tage,
    bis man ihn fand.
    Wie, kannst du dir ja vorstellen. Die ägyptischen Mumien sind
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    ein Klacks dagegen.
    Für mich strotzt die ganze Geschichte nur so von Dummheit
    und Fahrlässigkeit. Bei Bischof Jim war es ja noch zu verstehen, der war ein Sektierer, ein Spinner – aber bei seiner jungen Frau? War
    übrigens ein tolles Weib, richtige Hollywood-Schönheit mit gold-
    blondem Haar bis zur Tail e. – Wenn du mehr über die ganze
    Affäre wissen willst, schleuse ich dich morgen in unser Archiv bei
    der ›Jerusalem Post‹.«
    »Okay«, sagte Werner, »bin um neun bei dir im Büro. Paßt dir
    das?«
    »Paßt.«
    Werner und Zwi schlenderten zum Swimming-pool hinunter, wo
    Zwis Frau in einem schwarzen Mini-Bikini unglaublich aufreizend
    aussah.
    »Zieh dir was über, Tali«, grinste Zwi, »sonst fallen Werner noch
    die Augen aus dem Kopf.«
    Werner verbrachte mit Zwi und seiner Familie noch eine vergnüg-
    liche Stunde, dann verließen sie ihn, um zu dem üblichen Sonn-
    tagsnachmittags-Familienkaffee zu fahren, der hier auf den Sabbat
    fiel.
    Werner ging in sein Zimmer und diktierte auf Tonband, was
    Zwi ihm über den Unfall in der Wüste erzählt hatte.
    Drei Tage später, gegen sechs Uhr abends, rief ihn Ali Mohammed
    an.
    »Hast du den Ochsen geschlachtet?« dröhnte er übers Telefon.
    »Mein lieber Freund, erwarte mich um halb acht in der Hotelbar.«
    »Hast du etwas herausgefunden?«
    »Du wirst ein Wunder erleben«, sagte Ali und kicherte.
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    Als Ali Mohammed die Hotelbar betrat, verstummten schlagartig
    alle Gespräche.
    Der große kräftige Mann trug ein weißes Seidengewand, und an
    seinem breiten, reichverzierten Gürtel hing ein über und über mit
    Juwelen geschmückter Dolch.
    Ein paar der Gäste erbleichten, andere lachten nervös auf.
    Werner grinste.
    Er wußte, daß der Dolch kein Dolch war, sein Blatt nicht aus
    Stahl, sondern aus Holz.
    Ali trank mit Genuß ein halbes Dutzend Champagnercocktails,
    er schmatzte dabei und strich sich wohlgefällig seinen kurzen
    schwarzen Kinnbart. Seine schwarzen Augen irrlichterten von einer
    eleganten hübschen Frau zur anderen.
    »Warum suchst du die eine, wenn du all diese haben kannst?«
    fragte er Werner.
    »Weil ich Irene will. Was hast du über sie in Erfahrung gebracht?«
    Aber Ali lächelte nur vieldeutig und meinte: »Laß uns zum Essen
    schreiten, mit vollem

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