Spuren in der Wüste
als Beispiel dafür, wie unvorsichtig sich manche Leute im
Urlaub in fremden Ländern verhalten«, erwiderte Werner.
»Das kannste laut sagen.« Zwi schüttelte den Kopf. »Die Fletchers
haben sich einen VW gemietet und sind damit nicht etwa auf unse-
ren schönen ausgebauten Straßen durch unsere schönen Wüsten
kutschiert, sondern auf Trampelpfaden der Kamele. Jim Fletcher,
Oberhaupt irgendeiner Sekte in Kalifornien, wollte die Wüste ken-
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nenlernen, wie euer Herr Jesus sie erlebt hatte. Als Wegzehrung
nahmen die Fletchers zwei Flaschen Cola mit, aber nicht mal einen
Flaschenöffner.
Wie seine Frau später berichtete, begegneten sie unterwegs Bedui-
nen, und nur knapp eine halbe Stunde später hatten sie eine Rei-
fenpanne.
Und jetzt paß auf, weder Jim Fletcher, ein gestandener Mann um
die Vierzig, noch sie, seine junge Frau, so um die Zwanzig, konnten
mit dem Wagenheber umgehen, und sie schafften es nicht, das Rad
zu wechseln.
Sie hatten sich einen besonders heißen Tag ausgesucht, und dazu
wehte noch ein Chamsin. Die beiden Colas waren lauwarm, und
als die Fletchers sie mit Nagelschere und Nagelfeile aufkriegten,
schoß der halbe Inhalt raus.
Danach entschlossen sich die Fletchers, mit dem Rest des Colas
gestärkt, sich zu Fuß weiter auf den Weg zu machen.
Seine Frau gab später zu Protokoll, er habe darauf bestanden, ei-
nem Wadi zu folgen, einem ausgetrockneten Flußbett, weil, wie er
sagte, das Wadi hinab zum Toten Meer führen müsse und zu der
daran entlangführenden Asphaltstraße.
Sie machten sich also auf den Weg. Nach 'ner Stunde oder so
hatte er 'nen Herzanfall, und es wurde beschlossen, daß sie allein
weitergehen sollte.
Das war nachmittags. Am anderen Morgen, es wurde gerade hel ,
geriet sie wirklich auf die Straße und hatte Glück, eine Militärstreife griff sie auf. Bloß konnten die Jungens kaum Englisch und verstanden nur Bahnhof, also nahmen sie sie mit in ihr Camp, und dann
wurde die Suche nach Jim Fletcher eingeleitet. Zu Fuß und aus der
Luft per Hubschrauber.
Aber alle Wadis sahen jetzt gleich aus, und es dauerte fünf Tage,
bis man ihn fand.
Wie, kannst du dir ja vorstellen. Die ägyptischen Mumien sind
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ein Klacks dagegen.
Für mich strotzt die ganze Geschichte nur so von Dummheit
und Fahrlässigkeit. Bei Bischof Jim war es ja noch zu verstehen, der war ein Sektierer, ein Spinner – aber bei seiner jungen Frau? War
übrigens ein tolles Weib, richtige Hollywood-Schönheit mit gold-
blondem Haar bis zur Tail e. – Wenn du mehr über die ganze
Affäre wissen willst, schleuse ich dich morgen in unser Archiv bei
der ›Jerusalem Post‹.«
»Okay«, sagte Werner, »bin um neun bei dir im Büro. Paßt dir
das?«
»Paßt.«
Werner und Zwi schlenderten zum Swimming-pool hinunter, wo
Zwis Frau in einem schwarzen Mini-Bikini unglaublich aufreizend
aussah.
»Zieh dir was über, Tali«, grinste Zwi, »sonst fallen Werner noch
die Augen aus dem Kopf.«
Werner verbrachte mit Zwi und seiner Familie noch eine vergnüg-
liche Stunde, dann verließen sie ihn, um zu dem üblichen Sonn-
tagsnachmittags-Familienkaffee zu fahren, der hier auf den Sabbat
fiel.
Werner ging in sein Zimmer und diktierte auf Tonband, was
Zwi ihm über den Unfall in der Wüste erzählt hatte.
Drei Tage später, gegen sechs Uhr abends, rief ihn Ali Mohammed
an.
»Hast du den Ochsen geschlachtet?« dröhnte er übers Telefon.
»Mein lieber Freund, erwarte mich um halb acht in der Hotelbar.«
»Hast du etwas herausgefunden?«
»Du wirst ein Wunder erleben«, sagte Ali und kicherte.
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Als Ali Mohammed die Hotelbar betrat, verstummten schlagartig
alle Gespräche.
Der große kräftige Mann trug ein weißes Seidengewand, und an
seinem breiten, reichverzierten Gürtel hing ein über und über mit
Juwelen geschmückter Dolch.
Ein paar der Gäste erbleichten, andere lachten nervös auf.
Werner grinste.
Er wußte, daß der Dolch kein Dolch war, sein Blatt nicht aus
Stahl, sondern aus Holz.
Ali trank mit Genuß ein halbes Dutzend Champagnercocktails,
er schmatzte dabei und strich sich wohlgefällig seinen kurzen
schwarzen Kinnbart. Seine schwarzen Augen irrlichterten von einer
eleganten hübschen Frau zur anderen.
»Warum suchst du die eine, wenn du all diese haben kannst?«
fragte er Werner.
»Weil ich Irene will. Was hast du über sie in Erfahrung gebracht?«
Aber Ali lächelte nur vieldeutig und meinte: »Laß uns zum Essen
schreiten, mit vollem
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