Spurlos
einzureden, dass nun alles erledigt sei. Sie hatte nichts mehr mit der Sache zu tun! Doch immer wieder quälte sie sich mit der Frage, ob es nicht doch vollkommen falsch gewesen war, einem Erpresser und Mörder einfach so ihr Geld gegeben zu haben. Befreit hatte sie sich nur einen kurzen Moment gefühlt. Matthew redete nicht mit ihr.
Er starrte an ihr vorbei , während er eilig Reis und Gemüse in sich hineinschaufelte. Hin und wieder streifte er sie mit einem argwöhnischen Blick. Schließlich hielt sie es nicht mehr aus.
„Was ist Matthew?“
Er aß weiter. Wenn sie ganz ehrlich war, dann fürchtete sie eine Antwort. Was sollte er ihr antworten? Dass er den Tod Valerie Tates niemals vergessen würde? Dass er immer zwischen ihnen stehen würde? Sie unterdrückte ein Seufzen.
Plötzlich ließ er Messer und Gabel auf den Tellerrand fallen .
„Hast du von dem Mord an Jeannie Reid gehört?“ , fragte er.
Ihr Magen krampfte sich zusammen.
Sie hatte ihrer Stimme etwas Neutrales geben wollen, doch sie brachte keinen Ton heraus, sodass sie sich räuspern musste.
„Du hast sie gekannt, oder?“, fragte er scharf.
„Nein! Ich habe den Namen zum ersten Mal in den Nachrichten gehört.“
Sie mochte nicht in seine Augen sehen, die sie kalt musterten.
„Sie hat im Showroom bei Verginadis gearbeitet“, fuhr er fort, „da warst du doch auch schon. Ich erinnere dich nur an deine Ohrringe und an dein Armband.“
Worauf wollte er hinaus?
„Das du mir geschenkt hast, Matthew!“
Wieder sein lauernder Blick.
„Ja, aber du hast das Armband enger machen lassen, Alison. Nicht wahr?“ Aus schmalen Augen sah er sie an, wie ein Raubtier, das auf den richtigen Moment wartet, um die Beute anzuspringen …
„Ja, ich bin dagewesen.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Aber ich kann mich nicht mehr an die Verkäuferin erinnern. Und erst recht nicht an ihren Namen!“
Er schob den fast leeren Teller von sich und legte die Arme auf den Tisch.
„ Okay, Alison. Wozu hast du das Geld gebraucht?“
Ihr Atem stockte. Jetzt war alles aus. Sie müsste ihm alles sagen-
„Ich habe Andrew getroffen“, redete er weiter, „ Du warst bei ihm.“ Über Matthews Gesicht flog ein gehässiges Lächeln. „Du weißt doch, diese Tunten können einfach nicht den Mund halten.“
Jetzt legte auch sie das Besteck weg. Sie hatte sich wieder im Griff und sah ihm direkt in die Augen.
„Dieses Geld gehört auch mir.“
„Trotzdem . Wir haben es in unser gemeinsames Depot getan.“
„Sagst du mir, wie viel dein Wagen in der Werkstatt kostet?“
Er lachte spöttisch. „Komm schon, Alison! Reden wir nicht drum herum? Was hast du mit dem Geld gemacht?“
I n seinen Augen war keine Spur von Liebe, von Verständnis oder Vergebung. Diese Klarheit gab ihr Mut, das auszusprechen, was sie schon längst hätte tun müssen. Gleich als sie von seiner Affäre erfahren hatte. Vielleicht war es schon zu spät, um noch etwas zwischen ihnen zu retten. Vielleicht konnte sie diese Frage auch nur deshalb stellen:
„Wann hast du ange fangen, mich zu hassen? Als du Valerie Tate kennen gelernt hast oder schon früher?“
Er erwiderte nichts.
„Wann? Vielleicht als Prudence zur Welt kam? Oder später?“
„Hör’ auf!“
„Warum? Ich will doch nur eine ehrliche Antwort.“ Ihre Ruhe überraschte sie.
Er holte Luft und öffnete den Mund. Doch dann stand er auf, murmelte eine Entschuldigung und ging in die Küche. Und sie saß da, die Teller vor sich, die kaum angerührte Flasche Weißwein im Kühler.
Ein Auto fuhr unten auf der Straße vorbei , und im Nachbarhaus hörte sie Telefonläuten. Auf einmal wurde ihr etwas klar. Sie sprang auf. Er saß im Wohnzimmer auf der Couch vor dem Fernseher und sah überrascht auf.
„D u hast Jeannie Reid gekannt!“, schrie sie ihn an. Er antwortete nicht, wandte sich wieder den Fernseher zu.
„Und du hattest etwas mit ihr!“ Das war ihr plötzlich klar geworden.
Noch immer sah er sie nicht an.
„Du hattest eine Affäre mit ihr, genauso wie mit Valerie Tate!“ Mit einem Schritt war sie am Fernseher und schaltete ihn aus. Ein falsches Lächeln flog über sein Gesicht. Er schüttelte den Kopf.
„Wie kommst du nur auf solche Gedanken, Alison?“
„Valerie war nicht die erste, mit der du mich betrogen hast!“ Jetzt wurde es ihr klar ...
„Aber …“
„Hör’ auf mich anzulügen!“, schrie sie. „Sag es! Los!“
Sie wartete, wartete wie auf einen Dolchstoß, auf den tödlichen Stich ins
Weitere Kostenlose Bücher