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Spurschaden

Spurschaden

Titel: Spurschaden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Halo
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sich voll auf die verschneiten Straßen konzentrieren und sie auf das, was kurz nach ihrem heutigen Erwachen passiert war. Was genau war eigentlich passiert?
    Während Maries Hände auf ihren noch leicht schmerzenden Knien ruhten, versuchte sie, den seltsamen Zeitverlust nach dem Aufwachen näher zu ergründen. An den gewohnten Weck-Song konnte sie sich erinnern und an das wie üblich vorzeitige Abbrechen desselben kurz vor Liedende – nur so konnte man den Software-Bug des Weckprogramms umgehen, da die Musik sonst in einer Endlosschleife gefangen blieb und das Handy einzig durch kurzzeitige Herausnahme des Akkus freiwillig verstummte. Gerade diese Eigenart sorgte dafür, dass das Weckprogramm den eigentlichen Zweck bestens erfüllte. Doch was war dann geschehen; nach dem Erwachen?
    Marie erinnerte sich an ihr Niederknien, vor, besser gesagt unter dem Kreuz – eine übliche Position beim morgendlichen Gebet. Sie sah das Kreuz vor Augen, leicht schräg an der Wand hängend. »Nein!«, hörte sie sich plötzlich sagen und war sich nicht sicher, ob sie dieses nach außen hin deutlich hörbar ausgestoßen hatte. Ein leichtes Kratzen an ihrem linken Ohr in Kombination mit einem Blick in Richtung des Paters brachte Gewissheit: Beide Hände fest am Steuer, schaute er konzentriert nach vorne auf die verschneite Straße. Und Marie; Marie erinnerte sich, sah dieses Mal den perfekt gerade ausgerichteten Gekreuzigten, glaubte erneut seine Stimme zu hören. Nur dass diese ihr jetzt seltsam undeutlich erschien. Es war mehr ein Nuscheln und hatte mit der klaren Sprache am frühen Morgen nichts gemein.
    In dem Moment, als ihr bewusst wurde, dass sie vorhin in der knienden Stellung vor dem Kreuz anscheinend für längere Zeit unter einer Art Hypnose gestanden oder einfach nur nochmal eingedöst war, schreckte sie der Klang der Hupe aus ihren Gedanken. Reflexartig starrte Marie auf die Straße und versuchte eine Gefahr zu erhaschen. Doch da war nichts. Nichts außer Schnee. Nur die Hupe; die Hupe wollte nicht verstummen. Der folgende Blick zur Fahrerseite hin ließ sie erschauern. Pater Johanns Körper war nach vorne gebeugt und wurde allein durch den Sitzgurt gehalten. Sein Kopf hing schlaff herab, musste mit dem Stirnbereich gerade so fest an der entsprechenden Stelle des Lenkrads aufliegen, dass der Auslöser für die Hupe stetig gedrückt wurde.
    Marie dachte sofort an Thomas; wie der Kommissar vor gar nicht langer Zeit in Ohnmacht gefallen, letztlich mit seinem Kopf in ihrem Schoß gelandet war. Hilflos starrte sie auf den erneut leblos erscheinenden Körper direkt neben ihr. Bevor ihr in den Sinn kam, die Kontrolle über den schweren Wagen an sich zu reißen, hatte dieser bereits stetig an Fahrt verloren und kämpfte sich nun extrem langsam Meter für Meter durch den Schnee. Mit dem Erschlaffen des Körpers war auch der Fuß des Paters vom Gaspedal gerutscht und einzig der in Position D – Drive – verbliebene, mit Edelholz verkleidete Wahlschalter der Automatikgangschaltung sorgte dafür, dass der Motor nicht abwürgte, dass die schwere Limousine weiter nach vorne strebte; ganz langsam. Ohne Probleme blieben die Reifen in der Spur, die zuvor ein anderes Fahrzeug geformt hatte.
    »Du musst ihm helfen, Marie. Jetzt!«
    Klar und entschieden hörte sie die Stimme ihres Herrn – und sie handelte.
    Die Auswirkungen der Schläge mit dem stumpfen Holzbrett zeigten sich in den zahlreichen dunklen Blutergüssen und den wenigen, aber übel aussehenden Platzwunden. Den Schmerz nahm er schon länger nicht mehr wahr. Seine stattliche Erscheinung, der stolze Gang, die klare Stimme, sein kräftiger Händedruck – nichts davon würde noch vorhanden sein, wenn sie mit ihm fertig waren. Die eigentlichen Folterwerkzeuge lagen noch unbenutzt nur wenige Schritte entfernt, zum Greifen nahe. Das hier war erst der Anfang, so viel wusste er.
    Nahezu betäubt lag er da, festgezurrt, nackt, versuchte sich auf alles zu konzentrieren, nur nicht auf seinen Körper. Der beißende Geruch von faulender Nahrung, Urin und Fäkalien drang mit jedem quälenden Atemzug tief in sein Inneres. Weit entfernte Schreie hallten durch die Dunkelheit. Das, was seinen Geist, seine Seele mehr als dreißig Jahre beherbergt hatte, war am Zerbrechen. Schon bald würden sie jeden seiner Muskeln zum Zerreißen bringen und mit Werkzeugen, die nur der Teufel selbst hatte erfinden können, heiß und alles verbrennend in seine Gedärme eindringen. Der Gedanke, dass sie das, was

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