Spurschaden
ihn zum Mann machte, vermutlich als Erstes genüsslich malträtieren würden, hinterließ ein schwaches Grinsen in seinem Gesicht, riss die Unterlippe erneut auf. Nein, den Spaß würde er ihnen verderben. Sein Glied, sein Hoden – seit Jahren bedeutungslos. Die körperliche Vereinigung mit einer Frau hatte er schon lange hinter sich. Sie würden ihn ganz sicher nicht um Gnade betteln hören. Nicht wegen seines Dings.
Doch das andere Ding, das musste er beschützen, um jeden Preis. Hatte er das Versteck auch gut gewählt, was nützte es, wenn seine Ordensbrüder es nicht finden würden; nicht in angemessener Zeit. Genau drei von ihnen war der Standort bekannt gewesen – zwei waren jetzt tot. Er hatte sie bis vor kurzem stöhnen gehört; erst den einen, dann den anderen. Keiner von beiden hatte seinen Eid gebrochen, das Versteck war sicher, so viel hatte er mitbekommen. Ansonsten wären die Häscher des Papstes nicht anschließend zu ihm gekommen, hätten sich längst auf den Weg gemacht, das Ding zu suchen – alle. Nein. Sie wussten jetzt, dass es nur noch ihn gab; er war der letzte Hüter des Schatzes. Sie konnten sich Zeit lassen. Sie würden sich Zeit lassen.
Während er die züngelnden Flammen einer Fackel näher kommen sah, vermischten sich die weit entfernten Schreie mit denen einer Frau, die in den Wehen lag. Realität und Vergangenheit wurden eins. Dann sah er sie, sein Weib. So, als wäre die Zeit zurückgedreht worden. Mit einer Hand drückte sie fest seine, mit der anderen umfasste sie die beiden Körper. Winzige Hände klammerten sich an die großen Brüste, die mit jedem Atemzug regelrecht erzitterten. Schnell ging der Atem seines Weibes, schnell und unregelmäßig. All das nahm er wahr, obwohl seine Tränen ihm die Sicht deutlich erschwerten. Freude und Trauer spiegelten sich auch in ihren Gesichtszügen wieder. Sie wussten beide, dass das neue Leben einen hohen Preis fordern, den Neugeborenen die Mutter, dem Vater sein Weib entreißen würde. Zu viel Kraft war dem stolzen Menschenherz all die Monate abverlangt worden, zu viel Blut war in den letzten Minuten geflossen.
Ein tiefes Luftholen, dann senkte sich die Brust, und zwei Augen schauten, ohne zu sehen – die erste Prophezeiung hatte sich erfüllt. Ihre gemeinsame Frucht wartete nun darauf, sich der Menschheit mit aller Macht zu offenbaren. Blut und Schweiß klebten jetzt an den Händen beider Töchter; Blut und Schweiß würden in Zukunft an all denen haften, die sich ihnen widersetzten. Für die einen waren sie als Zwillinge die Ausgeburt des Teufels. Für die anderen zeigte sich in ihrem perfekt identischen Antlitz das fleischgewordene Wunder Gottes.
Eine Fackel wurde zwei Schritt von ihm entfernt im Gewölbe verankert. Jemand näherte sich ihm, nahezu lautlos. Das waren nicht die festen Stiefel der Tempelritter, da war kein Geräusch aneinanderreibenden Metalls schwerer Rüstungen. Auf leisen Sohlen musste sich jemand geradezu an ihn heranschleichen – sein feines Gehör hatte ihn noch nie getäuscht.
Sein Atem stockte. Für einen kurzen Augenblick spielte sein Verstand ihm einen Streich, glaubte er an Rettung. Sekunden später entwich ihm jedoch ein schwaches Stöhnen. Die Realität hatte ihn wieder fest im Griff. Wer oder was sollte ihn aus diesem stark befestigten Verlies befreien können? »Nichts und niemand!«, beantwortete er seine Frage in Gedanken. Die Lage war aussichtslos. Doch wessen Schatten erhob sich da im Gewölbe? Starr blickte er zur Decke hin.
Da, eine Gestalt über ihm, der Geruch süßer Früchte. Jemand umfasste sein Handgelenk, musste seinen Herzschlag prüfen. Stille; kurz danach ein Flüstern.
»Oh mein Gott – die Stimme einer Frau«, kam es ihm in den Sinn, und er täuschte sich nicht. Hoffnung breitete sich aus, tiefe Sehnsucht begann ihn zärtlich zu streicheln. Dann ein Rütteln, ein Ziehen. Die Lederriemen lösten sich und sein Körper glitt zu Boden. Überrascht nahm er die Kälte wahr, die ihn Sekunden später erzittern ließ. Nass war der Boden. Nass und kalt.
Schwarze Punkte tanzten vor seinen Augen, verwehrtem ihm jegliche Sicht. Ein Schlag gegen die Brust, ein Schlag ins Gesicht. Das Geräusch einer schallenden Ohrfeige lag in der Luft, hallte lange nach. Der Brustraum schmerzte fürchterlich – rund um die Herzgegend prügelte man offenbar willkürlich auf ihn ein. Dann spürte er eine flache Hand, die mal links, mal rechts gezielt seine Wangen traf. Wärme breitete sich in seinem Gesicht aus
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