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Sputnik Sweetheart

Sputnik Sweetheart

Titel: Sputnik Sweetheart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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ewigen Zeiten befreundet und kenne ihre Weine so gut wie den Grundriss meines eigenen Hauses. Ich weiß genau, welchen Wein die Trauben von welchem Hang ergeben, welchen Einfluss das Wetter auf den Geschmack nimmt, welche Familie am härtesten arbeitet und welcher Sohn seinem Vater besonders eifrig zur Hand geht. Ich weiß, wer in welcher Höhe einen Kredit aufgenommen und wer sich einen neuen Citroēn gekauft hat. Ich weiß über die unwichtigsten Kleinigkeiten Bescheid. Mit dem Wein ist es wie in der Pferdezucht – man muss die Herkunft kennen und über die neusten Informationen verfügen. Wenn man mit Wein handelt, genügt es nicht, gute von schlechten Weinen unterscheiden zu können.«
    Offenbar unsicher, ob sie weitersprechen sollte, unterbrach sich Miu und schöpfte Atem. Doch dann fuhr sie fort.
    »Ich kaufe an verschiedenen Orten in Europa ein, aber dieses Dorf im Burgund ist für mich das wichtigste, und ich verbringe jedes Jahr so viel Zeit wie möglich dort, um die guten Beziehungen zu pflegen und auf dem Laufenden zu bleiben. Bisher war ich immer allein dort. Ich reise normalerweise allein, denn es fällt mir schwer, längere Zeit von morgens bis abends mit einer anderen Person zusammen zu sein. Sumire habe ich eigentlich nur mitgenommen, weil ich vorher in Italien zu tun hatte und ihr Gelegenheit geben wollte, ihr Italienisch anzuwenden. Schließlich war ich diejenige, die ihr den Unterricht verordnet hat. Ursprünglich wollte ich sie vor meiner Weiterreise nach Frankreich nach Hause schicken, aber dann erwies sie sich als so tüchtig und umkompliziert und nahm mir eine Menge ab. Sie besorgte Fahrkarten, reservierte Hotelzimmer, verhandelte über die Preise, führte Buch über unsere Ausgaben, machte Restaurants mit guter einheimischer Küche ausfindig und dergleichen mehr. Ihr Italienisch wurde immer besser, und dank ihrer gesunden Neugier habe ich vieles erlebt, was ich allein nicht erlebt hätte. Ich war überrascht, wie einfach es sein kann, gemeinsam zu reisen. Vielleicht gibt es zwischen mir und Sumire auch eine besondere Herzensbindung.
    Ich weiß noch, wie wir bei unserer ersten Begegnung über den Sputnik redeten. Sie erzählte mir von einem Beatnik-Autor, und ich verwechselte das Wort mit Sputnik. Wir lachten, und das Eis war gebrochen. Wissen Sie, was Sputnik bedeutet? Es heißt ›Reisegefährte‹. Damals wusste ich das auch nicht, aber ich habe inzwischen im Lexikon nachgeschaut. Ein seltsames Zusammentreffen, wenn man sich’s recht überlegt. Warum die Russen ihrem Satelliten wohl diesen sonderbaren Namen gegeben haben? Wo es doch nur ein hilfloses Stück Blech ist, das um die Erde kreist.«
    Miu hielt inne, um einen Moment nachzudenken.
    »Jedenfalls nahm ich Sumire doch mit nach Burgund. Während ich alte Freundschaften pflegte und mich ums Geschäft kümmerte, lieh Sumire sich den Wagen und erkundete die Gegend, obwohl sie nicht Französisch spricht. In einem Ort kam sie zufällig mit einer reichen, älteren Spanierin ins Gespräch und freundete sich mit ihr an. Diese Dame stellte Sumire einen Engländer aus ihrem Hotel vor, einen sehr distinguierten, gut aussehenden Herrn um die fünfzig, der schreibt. Ich vermute, er ist homosexuell, denn er reist mit einem Sekretär, der zugleich sein Freund zu sein scheint. Ich lernte ihn ebenfalls kennen, und sie luden uns zum Essen ein. Sie sind sehr angenehme Menschen, und im Gespräch stellte sich heraus, dass wir gemeinsame Bekannte haben, und ich empfand eine gewisse geistige Verwandtschaft zu ihnen. Der Herr aus England erzählte uns von seinem Ferienhaus auf der Insel hier und bot uns an, es zu benutzen. Er hält sich ohnehin nur jeden Sommer für einen Monat hier auf, aber im Augenblick hat er wohl so viel zu tun, dass er nicht nach Griechenland reisen kann. Es sei nicht gut, wenn ein Haus zu lange leer stünde, sagte er, dann würden die Hausverwalter schlampig. Wir würden ihm sogar einen Gefallen tun, wenn wir sein Haus eine Weile benutzten.«
    Wieder blickte Miu sich im Zimmer um.
    »In meiner Studienzeit war ich einmal in Griechenland, aber auf einer dieser hektischen Kreuzfahrten, bei denen alle möglichen Inseln abgeklappert werden. Dennoch hatte ich herrliche Erinnerungen an Griechenland, und ich fand es sehr verlockend, ein Haus auf einer griechischen Insel benutzen zu dürfen, ganz für uns und solange wir wollten. Sumire war natürlich auch begeistert. Ich bot dem Engländer an, wenigstens für die Umlagen aufzukommen, aber er

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