St. Leger 03 - Die Nacht der Feuerfrau
verließ?«
»Ich liebe dich aber so, wie du bist.«
»Was, den Piraten, den Dieb, den Mortmain-Strolch? Was könnte so einer wie ich für ein Ehemann für dich sein? Oder ein Vater für Charley.«
»Frag ihn doch einfach.« Sie drehte sich zur Straße um, und er folgte ihrem Blick. Ein paar Meter weiter stand der kleine Junge.
Nein, nicht auch noch Charley! Rafe löste sich von der Frau, um noch einen Rest seiner Abwehr aufrechterhalten zu können, aber es war schon zu spät. Der Knabe umschlang Mortmains Beine mit beiden Armen und hätte ihn beinahe zu Fall gebracht. »Bitte, Rafe, du darfst nicht gehen!« Der Mann fluchte kaum hörbar, gab allen Widerstand auf und hob den Jungen auf seine Arme. Wie sollte man bei einem so lieben kleinen Kerl hart bleiben? »Du musst nicht gehen, Rafe, ganz egal, was du getan hast!«, schluchzte Charley. »Weißt du, ich habe auch schon ein paar schlimme Sachen angestellt.«
Er drückte sich an die Brust seines Wunschvaters, und Rafe klopfte ihm auf den Rücken. Eigentlich hätte er dem Jungen jetzt erklären müssen, dass er nicht bleiben könne. Aber er brachte kein Wort heraus. Rafe wandte sich Hilfe suchend an Corrine, aber die dachte nicht daran, ihm beizustehen. Stattdessen bemerkte sie: »Ein Junge sollte niemals von seinem Vater verlassen werden.«
Was war nur aus ihm geworden? Wo blieb sein steinernes Mortmain-Herz, das doch angeblich wiederhergestellt sein sollte? Vermutlich gab es in dieser Welt eine ganze Menge Magie, die nicht von Kristallen oder den St. Legers herrührte.
Heilende Zauberkräfte, wie zum Beispiel die Liebe eines Kindes, oder das vollkommene Vertrauen in den ehrlichen braunen Augen einer Frau.
Rafe flehte in Gedanken darum, dass beides ausreichte, ihn nicht wieder in Verbitterung und Schwärze zurückfallen zu lassen.
Er trug Charley auf einem Arm und wischte mit der freien Hand eine Träne von der Wange seiner Mutter. »Du bist eine Verrückte, Corrine Brewer. Aber wenn du stur genug bist, mich behalten zu wollen, und sogar so närrisch, mich auch noch zu heiraten, dann schwöre ich, dir und Charley nie Anlass zu geben, das zu bereuen.« »Ich weiß, dass du diesen Schwur einhalten wirst«, lächelte sie.
Rafe drückte sie an sich, und für einen Moment vergaßen die drei alles um sich herum.
Nachdem sie gemeinsam gelacht und geweint hatten, setzte Rafe den Jungen ab. »Jetzt ist aber Schluss mit... mit diesen Sentimentalitäten. Wir müssen nämlich eine Entscheidung treffen.«
Er sah die beiden voller Liebe und Bedauern an. »Ich kann nicht in England bleiben. Die St. Legers mögen mir in ihrer Großmut verziehen haben, aber die Polizeibehörden werden wohl kaum Gnade vor Recht ergehen lassen.«
»Das macht uns nichts aus, Rafe«, sagte Corrine, »solange wir nur zusammen sein können.«
Bevor er etwas entgegnen konnte, zupfte ihn der Junge am Ärmel: »Rafe, wie wäre es mit Afrika? Ich wollte schon immer mal einen Löwen sehen!«
»Na, ich weiß nicht, ich hatte eigentlich einen etwas zahmeren Landstrich im Sinn. Was würdet Ihr denn von Amerika halten?«
Der Junge grinste von einem Ohr zum anderen. »Das wäre auch großartig! Können wir Rufus mitnehmen?« Dem armen alten Gaul eine solche Reise zumuten? Ach, zum Teufel damit. »Warum nicht?«
Charley führte einen Freudentanz auf. Rafe nahm seine Hand, legte den anderen Arm um Corinne und kehrte mit den beiden zum Gasthof zurück.
Sie würden packen, eine Schiffspassage kaufen und in der Fremde ein neues Leben beginnen.
Corinne und Charley - meine Familie, dachte Rafe, und das Herz quoll ihm vor Freude und Stolz über.
Zum ersten Mal sah die Zukunft rosig für ihn aus.
Hewlett-Packard
24
Der Wind wehte von der See her und heulte zwischen den nackten Ästen der toten Bäume im Verlorenen Land. Kate zog sich die Kapuze tiefer ins Gesicht und trat vorsichtig zwischen die verbrannten Ruinen des einstmals vornehmen Herrenhauses.
Die verbliebenen Mauerreste sahen aus, als würden sie jeden Moment endgültig zusammenfallen, und überall lagen Trümmer herum. Das Haus schien in seinem jetzigen Zustand bestens zu der Landschaft rings herum zu passen. Unter anderen Umständen wäre die junge Frau zum Strand gegangen. Aber heute konnten Wasser und Wellen sie überhaupt nicht locken.
Dies war also die Heimat der ebenso stolzen wie berüchtigten Mortmains - ihrer Vorfahren. Kate lief schon seit Stunden hier herum und versuchte, etwas von ihnen zu fühlen. Aber sie spürte nur Kälte,
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