St. Leger 03 - Die Nacht der Feuerfrau
älterer Bruder genau das zum Ausdruck hatte bringen wollen. Und ihn ärgerte vor allem, dass Lance damit mehr Recht hatte, als er vermutlich ahnte. »Du brauchst dir keine Sorgen mehr zu machen, denn ich bin inzwischen zu Verstand gekommen. Würdest du so freundlich sein, mir den Hengst abzunehmen?«
Der Arzt erschrak beinahe darüber, wie unwillig er dieses Angebot machte ...
Weil Lance immer alles in den Schoss gefallen ist. Er ist der älteste Sohn und damit der Erbe der Burg. Er hat eine wunderschöne Frau und einen kleinen Sohn ... Wozu braucht er da noch diesen Prachthengst?
Valentine legte die Hand auf den Splitter und glaubte, ihn pochen zu spüren. Nie zuvor hatte er seinen Bruder beneidet. Dennoch hörte er es mit Erleichterung, dass Lance das Tier ablehnte.
»Warum gibst du Caleb nicht einfach den Hengst zurück. Ich habe mehr als genug Pferde, und meine Frau würde sich nicht über einen so ungestümen Zuwachs freuen.« Ein Strahlen trat in seine Augen. »Rosalind ist nämlich schon wieder guter Hoffnung.«
»Oh ... meinen herzlichen Glückwunsch.« Warum fiel es ihm so schwer, sich für seinen Bruder zu freuen? Vielleicht, weil er auch diesmal wieder zu Rosalind musste, um ihr die Wehenschmerzen zu nehmen. Und wenn alles vorüber wäre, wäre Valentine vollkommen erschöpft, während Lance stolz seinen Nachwuchs hielte. Rosalind und Lance würden sich dann glücklich anschauen, und Valentine sich leise humpelnd aus dem Raum entfernen ...
Er musste den Splitter sofort loswerden! Der Arzt zog den kleinen Beutel aus seiner Westentasche und legte die Halskette auf seinen Handteller, ohne einen Blick auf den Anhänger zu werfen. Doch das kostete ihn ungeheure Überwindung.
Schweißperlen traten ihm auf die Stirn, als er seinem Bruder den Stein reichte. Wie sollte er ihm das erklären? Vor allem das von Rafe Mortmain, dem Mann, wegen dem sie sich beinahe entzweit hätten. Vielleicht sollte er lieber damit warten, bis ihm die Geschehnisse jener Nacht wieder einfielen.
Vielleicht suchte er aber auch nur nach einer Entschuldigung, diesen Stein nicht aushändigen zu müssen. Der Arzt atmete tief durch: »Lance, es gibt da etwas, das ich dringend mit dir -«
Sein Bruder hörte ihm gar nicht zu. Er hatte wieder hinter seinem Schreibtisch Platz genommen und zog den noch nicht fertig gestellten Brief zu sich heran. »Ich muss etwas mit dir besprechen.«
»Gern, Lance, nur wenn du mir einen Moment -« »Victor ist heute Morgen bei mir gewesen.« Valentine seufzte ungeduldig. Ihm fiel es schon schwer genug, sich von dem Stein zu trennen, da musste er sich nicht auch irgendeine Belanglosigkeit über Victor anhören. Aber dann fragte er verdrossen: »Und was wollte der junge Mann?«
»Stell dir nur vor, er will Kate heiraten!« »Was? Du treibst wohl Scherze!«
»Ich wünschte, es verhielte sich so.« »Aber Victor soll doch Mollie Grey heiraten, seine auserwählte Braut!«
»Offenbar ist ihm das im Eifer des Gefechts entfallen. Nun ja, verstehen kann man es schon. Mollie ist zwar lieb, aber ein sehr einfaches Mädchen. Und ob es dir schon aufgefallen ist oder nicht, unser alter Wildfang Kate hat sich zu einer ansehnlichen jungen Dame gemausert.« Als wenn ihm das entgangen wäre. Kates Entwicklung war seine Freude und seine Folter zugleich. »Nun, Victor stand im Morgengrauen auf der Schwelle«, fuhr Lance fort, »und hat mir die sprichwörtliche Pistole auf die Brust gesetzt. Ich als Familienoberhaupt, zumindest während der Abwesenheit unseres Vaters, möge gefälligst zur Kenntnis nehmen, dass ihm die ganze Familientradition gestohlen bleiben könne. Unser Vetter ist ganz besessen von Kate und will keine andere haben.« Der Arzt musste sich am Stuhl festhalten. Nach diesen Worten drehte sich alles in seinem Kopf. Unter anderen Umständen hätte er vielleicht Victors Mut bewundert, aber hier ging es um Kate. Um seine Kate.
Seine Linke umschloss den Kristallsplitter, und das erste Rinnsal der Eifersucht entwickelte sich zu einem Sturzbach ... Aber dann atmete Valentine tief durch und erinnerte sich mit aller Kraft daran, dass das Mädchen ihm nicht gehörte.
Aber auch nicht Victor. Warum regte er sich überhaupt auf. »Ob unser Vetter nun verliebt ist oder nicht, Kate wird ihm die nötige Abfuhr verpassen.« Er rechnete fest damit, dass sein Bruder ihm sofort zustimmte. Doch Lance schwieg nur und machte eine bekümmerte Miene.
»Grundgütiger, Lance, du glaubst doch wohl nicht ernsthaft, dass unsere
Weitere Kostenlose Bücher