St. Leger 03 - Die Nacht der Feuerfrau
Freundin überhaupt einen zweiten Gedanken an den Heiratsantrag von einem solchen Luftikus verschwendet!«
»Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht.« »Kate verachtet Victor. Oder hast du schon vergessen, wie sie ihm immer damit gedroht hat, ihn eines Tages auf ein Schiff seines Großvaters zu zwingen, damit er dort nach Piratenart über die Planke gehen müsse?« »Nein, habe ich nicht, und auch nicht, dass sie dich heiraten wollte. Gott sei Dank ist sie solchen kindischen Vorstellungen mittlerweile entwachsen.« Kindisch? Lance hielt es also für kindisch, dass das Mädchen sich in Valentine verliebt hatte? Aber er konnte sich recht gut vorstellen, dass aus ihr und diesem Holzkopf Victor ein Paar würde?
Der Arzt musste an sich halten, als sein Bruder dann auch noch meinte: »Außerdem sieht Victor ganz gut aus und zeigt bei Damen ein angenehmes Auftreten. Er kann bei den Dorfschönen schon auf erstaunlich viele Eroberungen verweisen.«
»Aber nicht Kate. Bei ihr kann er niemals landen.« »Dein Wort in Gottes Ohr.« Das amtierende Familienoberhaupt ergriff wieder die Feder und machte Anstalten, den Brief zu Ende zu bringen. »Bis dahin erscheint es mir klüger, Kate fortzuschicken, weit genug, um vor aller Versuchung gefeit zu sein.«
»Was denn für eine Versuchung?« Valentine wusste nicht, ob er lachen oder fluchen sollte.
Dann ging ihm mit einiger Verspätung auf, was sein Bruder mit diesen Worten andeutete. »Sie soll fort? Wohin denn?«
Seine Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt, als Lance erst noch eine Zeile auf das Blatt schrieb, ehe er sich zu einer Antwort bequemte.
»Nach London. Du weißt, dass Effie immer schon mit ihr dorthin reisen wollte. Sie hat eine Base in Mayfair und hofft wohl, dass diese Kate in die Gesellschaft einführen kann.«
»Das ist doch nur eine von Effies versponnenen Ideen. Kate wollte noch nie eine Ballsaison in London mitmachen, und davon abgesehen hat ihre Adoptivmutter doch gar nicht die nötigen Mittel, um sich so etwas leisten zu können.«
»Deswegen schreibe ich ihr ja auch diesen Kreditbrief. So stelle ich ihr gewisse Summen zur Verfügung, die sie überall abheben kann.«
Valentine starrte seinen Bruder verständnislos an. Das konnte doch unmöglich Lance' Ernst sein. Er erhob sich ruckartig, ohne die Schmerzen in seinem Bein zu beachten. Dann starrte er auf seinen Bruder, der eben seine Unterschrift auf den Brief setzte, der Kate auf immer aus seinem Leben zu entfernen drohte.
»Verdammt, Lance, das geht nicht! Du kannst Effie doch nicht dabei helfen, Kate wegzunehmen von -« Er unterbrach sich im letzten Moment, sonst hatte er von mir gesagt.
Der Arzt umschloss mit beiden Händen den Gehstock, um sich wieder in den Griff zu bekommen. »Von Torrecombe. Kate wird sich in London niemals wohl fühlen. Nicht auszudenken, was geschieht, wenn sie den Ort wiedersieht, an dem sie ihre Kindheit verbringen musste.« »Niemand will Kate ins Waisenhaus zurückbringen. Im Gegenteil, man bringt sie in einer der besten Gegenden Londons unter, und sie besucht Bälle, Gesellschaftsessen und Theateraufführungen.«
»Als wenn Kate so etwas Freude machen würde. Sie wird sich wie eine Verbannte vorkommen, die man von zu Hause vertrieben hat. Sie wird glauben, schon wieder unerwünscht zu sein. Und das alles nur wegen eines Klotzkopfes, der sich einbildet, in sie verliebt zu sein!« Lance blickte Val angesichts seines heftigen Tonfalls erstaunt an. Daraufhin senkte Valentine den Blick und schämte sich dafür, seine eigenen Wünsche über das Wohl von Kate gestellt zu haben. Er besaß keinerlei Rechte auf die junge Frau, aber er konnte es ebenso wenig ertragen, sie zu verlieren. Der Burgherr betrachtete ihn jetzt ernst: »Schau nur, es geht doch nicht nur um Victor. Wir müssen auch an die Zukunft des Mädchens denken. Hier in Torrecombe kann nicht sehr viel aus ihr werden. London wäre da deutlich idealer, um eine gute Partie zu machen. Und genau das wünschst du ihr doch auch, oder, Val?« »Selbstverständlich«, murmelte der Arzt. Bis gestern hatte er das tatsächlich gedacht. Aber dann hatte er Kate in den Armen gehalten und geküsst... Valentine lief trotz der Schmerzen einige Schritte auf und ab. Er schloss die Linke so fest um den Splitter, dass dieser ihn in die Handfläche stach.
So vieles hatte er in seinem Leben schon aufgeben und opfern müssen. Jetzt nicht auch noch Kate. Er liebte sie schließlich, und -
Nein, das kam nur von diesem verdammten Kristall, der
Weitere Kostenlose Bücher