ST - New Frontier 5: Ort der Stille
gefunden hatten, worauf ihre heulenden Seelen zu einem ewigen Dasein als Untote verdammt waren. Das konnte Riella jedoch nicht abschrecken. Ihr Leben war bereits albtraumhaft genug. Die Aussicht, den Albträumen anderer ausgesetzt zu sein, beunruhigte sie nicht besonders.
Was ihr jedoch Sorgen machte, waren Lebensmittel. Sie hatte nicht die Gelegenheit gehabt, sich irgendetwas aus der Küche mitzunehmen. Sie hatte nichts zu essen oder zu trinken dabei. Ihre Überlebenschancen waren nicht gerade rosig. Aber sie dachte gar nicht weiter über diese Dinge nach. Sie rannte und ließ sich von ihren Instinkten leiten. Bedauerlicherweise waren ihre Instinkte nicht sehr zuverlässig. Wenn sich Gedanken an praktische Aspekte in den Vordergrund schieben wollten, drängte sie sie wieder zurück. Es war so etwas wie einen Mechanismus zur Selbstverteidigung.
Irgendwann geriet sie mit der Schuhspitze in einen Spalt und stürzte. Dabei zog sie sich eine Schürfwunde am rechten Knie zu. Sie rappelte sich wieder auf und sah, dass Blut an ihrem rechten Bein herablief. Sie versuchte es abzuwischen, doch dann atmete sie einmal tief durch und lief weiter.
Die Sonne hatte den Zenit erreicht, und es kam ihr vor, als würde die Hitze geradezu auf sie einprügeln. Sie kämpfte sich tapfer weiter und war fest entschlossen, sich durch nichts aufhalten zu lassen. Doch ihre Entschlossenheit schwand schon nach kurzer Zeit, und sie begann zu schluchzen. Nie zuvor war sie wütender auf sich selbst gewesen. Sie fühlte sich so schwach, so nutzlos, so völlig hilflos. Sie war mit einer schwierigen Lage konfrontiert, der sie nicht gewachsen war. Und sie ließ sich einfach davon überwältigen.
Ein Stück voraus erhoben sich Berge, die vielleicht noch einen Kilometer entfernt waren. Sie leckte sich über die aufgesprungenen Lippen und stellte fest, dass es ihr keine Linderung verschaffte, da ihre Zunge ausgetrocknet war. Ihr ganzer Körper schien allmählich trocken und rissig zu werden. Die anmutigen Fühler auf ihrer Stirn waren in der erbarmungslosen Hitze erschlafft. Ihre Mutter hatte sich stets bemüht, sie vor der prallen Sonne zu schützen, und alles getan, damit sie keinen Hitzschlag oder Sonnenbrand erlitt. Sie behauptete, ihre Familie wäre dafür sehr anfällig. Doch jetzt wusste Riella nicht mehr, was sie noch glauben sollte.
Ihre Fühler schienen wie ausgedörrte Blumenstiele einzugehen, was ihr großes Unbehagen verursachte. Ihr ganzer Körper schien langsam zusammenzuschrumpfen. Es fiel ihr bereits schwer, zu atmen oder nur zu denken.
Dann hörte sie etwas in ihrem Rücken. Etwas mit scharfen Krallen. Es huschte scharrend über den Boden, offenbar ein wildes Tier. Sie wagte nicht, sich umzudrehen, denn solange sie es nicht sah, war es nicht real. Es war keine Bedrohung, solange sie sich weigerte, seine Existenz anzuerkennen.
Sie hörte, wie es immer näher kam, und auf einmal erschien ihr dieser Plan nicht mehr so erfolgversprechend wie zu Anfang. Sie holte tief Luft und drehte sich um. Sie wollte nicht mehr die Augen verschließen. Was immer es war, sie wollte ihm erhobenen Hauptes entgegentreten.
Es waren zwei Geschöpfe. Falls es wilde Tiere waren, die sie zerfleischen wollten, würde sie sich damit abfinden. Da ihr Leben von Verzweiflung geprägt war und ihre Überlebenschancen ohnehin verschwindend gering waren, war es ihr im Grunde gleichgültig, wie ihre Zukunft aussah.
Aber es waren mehr als Tiere. Sie waren zu zweit, von humanoider Gestalt, und sie rannten auf Riella zu, das Maul leicht geöffnet, mit hängenden Zungen, als würden sie vor Anstrengung keuchen. Nein … sie wirkten kein bisschen angestrengt, wie sie jetzt erkannte. Sondern eher wie Raubtiere, die von der Jagd erregt waren.
Und sie trugen Kleidung. Dieser Punkt alarmierte Riella und setzte ihre Beine wieder in Bewegung. Mit einem erstickten Schrei fuhr sie herum, rannte weiter und sah dabei die gane Zeit ängstlich zurück.
Sie hörte etwas, das wie ein amüsiertes Glucksen klang. Dann sprach einer von ihnen. Ein Tier, das bekleidet war und sprechen konnte. Und auf seinem Rücken entdeckte sie etwas, das wie die gekreuzten Klingen zweier Waffen aussah. Sie hatte das Gefühl, den Rest ihres Verstandes zu verlieren. »Riella?«, sagte das Geschöpf.
Es gelang ihr lediglich, benommen zu nicken.
Die Geschöpfe tauschten einen Blick aus, in dem Überraschung und Freude lag. »Wir haben dein Blut gewittert!«, rief es ihr zu. »Diesem Geruch konnten wir
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