bevor ich sie in den DVD-Player lege, erzählst du mir von Nico.“
„Also gut. Nico hat mir eine E-mail geschrieben und außer ein bisschen bla … bla schrieb er, dass er im Stress sei, weil er auf Haussuche ist. Außerdem, so in seiner zweiten E-mail, redete er irgendetwas von seiner Chefin, die seinen Tagesablauf bestimmt.“
Jürgen verzog nachdenklich die Stirn. Jetzt sah er wieder aus wie der gestrenge Richter, den ich vor Jahren im Referendariat erleben durfte.
„Halten wir mal fest. Punkt eins: In der Bahn hielt er permanenten Augenkontakt! Wenn du mich fragst, ist das ein eindeutiges Zeichen von Interesse. Punkt zwei: Er ist viel zu schnell auf deine Frage mit dem Biertrinken eingegangen. Und dass, obwohl seine Kollegin neben ihm stand. Punkt drei: Er hat gesagt, er freut sich, wenn du dich überhaupt meldest. Ich bitte dich, versuchen wir uns doch nur mal für einen kleinen Augenblick in einen Hetero reinzudenken – falls das überhaupt möglich ist – dann würde ich sagen, so was sagt man nicht zu einem Mann. Ergo, ist er schwul. Punkt vier: Welcher desinteressierte Hetero schreibt eine SMS nach einer 10stündigen Polizeiübung? Ich glaube, die hätte ich nicht einmal selbst geschrieben. Ich wäre nur noch ins Bett gefallen. Punkt fünf: Er hat dich nach deiner E-mailadresse gefragt. Punkt sechs: Welcher desinteressierte Hetero schickt einem anderen Mann mitten in der Nacht eine E-mail? Und das auch noch vom Revier aus? Ein Normalo hätte diese E-mail nicht einmal tagsüber vom PK aus geschrieben. Frag mal deine Freundin Julia. Ihr Mann ist doch auch Polizist und hetero. Ich wette, der würde sich eher die Hände abhacken, als einem anderen Mann solche E-mails zu schicken. Was subsumieren wir unter das Ganze?“ Jürgen sah mich an wie ein Oberlehrer.
Ich grinste und zog die Schultern hoch. „Nico ist schwul und mit einem Mann auf Haussuche?“
„Bingo! Schätzchen, ich sage dir, der ist zwar auf Haussuche, aber noch lange nicht vergeben. Zu viele Zeichen deuten darauf hin, dass er an dir interessiert ist. So, und nun gucken wir Queer as folk .“
* * *
Nach zwei Folgen Queer as folk war es bereits einundzwanzig Uhr dreißig und ich machte mich auf den Heimweg, nachdem ich sicher sein konnte, dass Jürgen sich von dem hässlichen Streit mit Klaus erholt hatte. Bevor ich mich allerdings schlafen legte, ging ich noch einmal an meinen Computer.
* * *
-------- Original-Nachricht --------
Datum: Sun, 28 Sep 2008 21:55:30
Von: „Marten Kruse“
An: „Nico Krohninger“[email protected]>
Betreff: Re: Tagesgruß
N’Abend Nico,
ich wünsche Dir jetzt eine gute Nachtschicht und hoffe sie wird nicht so nervig. Zumindest nette Kollegen sind wohl immer da. Werde wahrscheinlich in der Tiefschlafphase sein, wenn Du das liest :-)
Ja, dann freue ich mich auf Freitag. Die Züge kommen immer um halb in Lüneburg an, also kann ich erst so um Viertel vor irgendwo in der Stadt aufschlagen. Kannst mir ja ne SMS schicken, wann es Dir passt. Schlaf Dich aus, und sag mir mindestens eine Stunde vorher Bescheid! Ich muss schließlich noch zum Bahnhof ... Andererseits will ich euch nicht von den Vertragsverhandlungen und der damit zusammenhängenden Haussuche abhalten.
Überzeuge Deine Chefin davon, dass es eine schlechte Idee ist, Dich am Freitag einzusetzen.
So, ich geh dann mal schlafen.
Bis Freitag,
angenehme Nacht,
Grüße,
Marten
P.S. Ich freue mich, wenn Du dich morgen meldest.
Kaum hatte ich das Badezimmer verlassen, piepte mein Nachrichtenmelder. Ich zog schnell meinen Pyjama über und setzte mich auf die Couch. Ha, es war Nico! Mann, der Süße war ja schneller als die Polizei erlaubte. Ich war doch nur eben Duschen und Zähneputzen.
* * *
-------- Original-Nachricht --------
> Datum: Sun, 28 Sep 2008 22:10:31
> Von: „Nico Krohninger“
> An: Marten Kruse
> Betreff: Re: Re: Tagesgruß
Hi, Marten,
noch mal in aller Kürze … Du störst natürlich nicht bei den Vertragsverhandlungen. Näheres am Freitag. Freue mich schon riesig auf unser Treffen. Können ja dann in Ruhe quatschen. Treffen uns um achtzehn Uhr vierzig am alten Kran in Lüneburg.
Gruß,
Nico
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Freitag, dritter Oktober. Wir schrieben das Jahr zweitausendundacht. Nervös stand ich am Kran in Lüneburg und wartete auf mein Date. Wer
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