Staatsanwalt vermisst seinen Polizisten
teilzunehmen.
„Ich finde auch, ihr solltet fahren. Die Sonne wird euch gut tun. Gerade du, Mama, mit deinem Rheuma. Was willst du im Winter hier?“
„Aber Katja ...“
„Die besuchen wir ... nicht wahr, Thorsten?“ Thorsten nickte bestätigend. „Du kannst jetzt eh nichts für sie tun.“
„Und die Kinder?“
Ja, was war mit Katjas Kindern, Jonathan und Josefine? Nachdenklich stand ich in dem halbdunklen Flur und biss auf meiner Unterlippe herum. Meine Wangen glühten immer noch vom Sex - zu dumm aber auch, dass man mir das stets ansehen konnte!
„Ihr könntet die Reise vielleicht auch verschieben“, schlug Thorsten vor.
Das Gesicht meiner Mutter erhellte sich. „Natürlich, Kläuschen. Die Reiserücktrittsversicherung, die wir immer ...“
„...dieses Mal nicht abgeschlossen haben“, beendete mein Vater ihren Satz.
Der Unterkiefer meiner Mutter klappte herunter. „Hast du nicht?“, hauchte sie kaum hörbar.
Mein Vater schüttelte zerknirscht den Kopf. „Ich dachte mir, die hundert Euro sparen wir uns und verprassen sie lieber auf der Insel. Außerdem sind unsere ganzen Ersparnisse für den Urlaub draufgegangen.“
Meine Mutter war den Tränen nah. Beruhigend legte ich ihr die Hand auf den Arm. „Mama, das macht doch nichts. Wir sind doch auch noch da.“
„Genau, und die Kinder nehmen wir“, versprach Thorsten.
* * *
„Tschüss, Oma. Tschüss, Opa. Gute Reise!“ Jonathan winkte Thomas’ Eltern zu, die am Gartenzaun ihrer Villa standen und sich von ihren Enkeln verabschiedeten. Meine Eltern waren nach einem kurzen Aufenthalt im Hause Bruhnhoff - wo wir sämtliche Spiel- und Anziehsachen in unser Auto geschafft hatten - nach Hause gefahren, um ihre Koffer zu Ende zu packen. Mit schlechtem Gewissen, versteht sich. Nun saß der mittlerweile sechsjährige Jonathan brav neben seiner vierjährigen Schwester, die wir liebevoll Fine nannten, und erzählte ihr Geschichten von Dinosauriern und Piraten. Zwischendurch quiekte Fine auf, wenn es gar zu spannend wurde und stachelte ihren Bruder damit immer weiter an. Er verstrickte sich in wahre Heldengeschichten und ließ auch die Prinzessin nicht weg, die von den bösen Piraten entführt und von den Dinos angeknabbert wurde. Als Fine letztendlich anfing zu weinen, ermahnte Thorsten - als geübter großer Bruder und zehnfacher Onkel - ihn, die Geschichte nicht zu übertreiben. Also ließ Jonathan den ruhmhaften Robin Hood kommen, der die Piraten überwältigte, die Dinos in die Flucht schlug und die Prinzessin rettete und heiratete.
„Aber manchmal heiratet der Prinz auch nicht die Prinzessin, die der König ihm zuteilt“, sprach Jonathan schließlich mit weiser Stimme. Sein Zeigefinger flog dabei wichtig durch die Luft.
Mit großen Augen verfolgte Fine ihn. „Warum nicht?“
„Weil der Prinz dann einen Prinzen will!“
Uff! War das jetzt unsere Schuld? Wir waren ein schlechtes Vorbild. Mich packte das schlechte Gewissen und plötzlich fühlte ich mich wie ein Außerirdischer, der besser nicht in sein Raumschiff gestiegen wäre, um auf der Erde zu landen.
Fine fing schon wieder an zu weinen. „Aber der Prinz soll die Prinzessin heiraten. Sonst können sie keine Kinder bekommen“, heulte sie los. Da hatte sie ausnahmsweise mal recht. Gut aufgepasst, die Kleine.
Thorsten setzte den Blinker und fuhr auf die linke Spur. Mit hundertachtzig Sachen überholte er einen Kleinbus und fuhr unserer bescheidenen Villa entgegen. Da die Ärzte uns anrufen wollten, wenn es Änderungen in Katjas oder Thomas’ Gesundheitszustand gab, hatten wir beschlossen, nicht länger in Wilhelmshaven zu bleiben, sondern zurück nach Hamburg zu fahren. Ich hoffte, dass wir alles für die Kinder eingepackt hatten.
„Das ist wie bei Onkel Marten und Onkel Thorsten. Die können auch keine Kinder kriegen“, klärte Jonathan seine Schwester auf.
„Stimmt das, Onkel Marten?“, piepste Fine.
„Ja, Schätzchen. Da hat dein Bruder recht. Zwei Männer können keine Kinder zeugen. Wir könnten höchstens welche adoptieren.“ Lächelnd drehte ich mich nach hinten um.
„Was ist das? Adop...ten?“ Ihre großen Kinderaugen sahen mich fragend an.
„Die holen Kinder aus dem Heim“, erklärte Jonathan trocken. „Die keine Eltern mehr haben, so wie wir. Die kommen zu fremden Leuten und müssen da leben.“
Guter Gott, woher hatte der Kleine nur diese Brutalität? Fine fing erneut an zu weinen. „Ich will zu meiner Mama!“
„Mama ist tot“,
Weitere Kostenlose Bücher