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Staatsanwalt vermisst seinen Polizisten

Staatsanwalt vermisst seinen Polizisten

Titel: Staatsanwalt vermisst seinen Polizisten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N. Schwalbe
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ihnen hinüber. Thorsten betrat das Büro des Schulleiters und baute sich vor ihm auf.
    „Was sind wir denn für Leute, Herr Baum?“
    „Hm ...“
    „Das ist keine Antwort auf meine Frage!“
    „Sie sind doch schwul , oder?“
    „Oh, Sie sind ein Adlerauge! Wie haben Sie das so schnell herausgefunden? Schatz“, rief Thorsten zu uns herüber, „hast du gehört ... wir sind schwul !“
    Gott, ich fühlte mich zum x-ten Mal wie ein Außerirdischer mit einer hochansteckenden Krankheit. Warum machten die Leute bloß so einen Hehl daraus? Ich war genau so ein Mensch, wie jeder andere auch. Nur, weil ich andere - gleichgeschlechtliche - sexuelle Neigungen hatte, mutierte ich doch nicht zum Monster!
    „Wir haben keinen Platz für Sie“, wiederholte Herr Baum trocken und fing an, irgendwelche Zettel auf seinem Schreibtisch zu sortieren. „Guten Tag!“ Ohne aufzusehen, zeigte er auf die Tür und forderte Thorsten schweigend auf, zu gehen.
    Ich war fassungslos. Solch eine Feindseligkeit war ich nicht gewohnt - und das auch noch vor den Kindern. Was sollten die armen, kleinen Wesen bloß von uns denken?
    „Sie hören von uns ... und von der Schulaufsichtsbehörde“, verabschiedete sich Thorsten.
    „Dumme Schwuchteln“, raunzte Herr Baum in seinen Bart hinein.
    Mir fielen vor Schreck fast die Augen aus dem Kopf.
    Thorsten blieb im Türrahmen stehen und ging zum Schreibtisch zurück. Dann zog er seinen Dienstausweis aus der Tasche und hielt ihn dem Schulleiter direkt unter die Nase.
    „Das habe ich gehört, Herr Baum. Sie werden von meiner Dienststelle hören!“
    Mit diesen Worten marschierte er aus dem Büro und deutete mir mit dem Kopf, ihm zu folgen. Ich schnappte mir die Kinder und flitzte hinter ihm her. Als wir draußen waren, atmete er erst einmal tief durch.
    „Puh, was für ein intoleranter, rücksichtsloser Mistkerl.“
    Schweigend liefen wir zum Auto.
    „Onkel Thorsten?“
    „Hm.“
    „Darf ich jetzt nicht mehr zur Schule gehen?“
    „Doch. Wir fahren zur nächsten Schule. Hier sind die Lehrer nicht nett genug für dich, mein Schatz.“
    Jonathan nickte und ließ sich von mir anschnallen.
    „Wann wollten deine Eltern kommen, Marten?“ Thorsten schaute auf die Uhr.
    „Um elf Uhr. Ihr Flug wurde verschoben.“
    „Gut. Dann haben wir ja noch massig Zeit.“
    Wir fuhren zur nächsten Grundschule, die auf unserem Plan stand. Dass wir tatsächlich in die Bredouille kommen würden, ihn voll auszunutzen, hätte ich nicht für möglich gehalten.
    Die nächstgelegene Schule lag nur eineinhalb Kilometer entfernt. Begrüßt wurden wir von einer etwas jüngeren, adrett gekleideten Sekretärin, die uns gleich bei der Schulleiterin anmeldete.
    „Guten Morgen. Sie sind Familie van der Benke ?“ Lächelnd kam eine etwa vierzigjährige Dame mit ausgestreckter Hand auf uns zu. „Meyer-Riegen, guten Tag. Ich bin die Schulleiterin. Was kann ich für Sie tun?“ Sie ging hinter ihren Schreibtisch und deutete auf die zwei freien Stühle davor. Fine gab sie eine Puppe zum Spielen, während Jonathan auf Thorstens Schoß Platz nahm und die Frau vorsichtig beäugte.
    „Wir suchen kurzfristig und für eine unbestimmte Zeit eine Ersatzschule für unseren Neffen“, erklärte ich.
    „Oh, Sie sind gar keine Regenbogenfamilie?“ Erstaunt zog sie eine Augenbraue hoch.
    „Eine was?“, fragte ich verdattert nach.
    „Eine Regenbogenfamilie! Ich bin erstaunt, dass Sie diesen Begriff gar nicht kennen. Nun, er leitet sich aus dem Englischen ab, den rainbow families , aus der Hippiebewegung der Siebziger Jahre und wohl auch von der Regenbogenflagge, die als weltweites Symbol von homosexuellen Menschen gilt“, erklärte sie lächelnd. „Damals haben sich die Brüder und Schwestern ja zu großen Familien vereint ... daher auch der Begriff Regenbogenfamilie .“
    „Ehrlich gesagt, kannte ich den Ausdruck tatsächlich nicht. Heißt das, Sie haben nichts dagegen, dass wir Jonathan hier anmelden?“, fragte ich konsterniert nach.
    Die Frau lachte auf. „Aber nein! Warum sollte ich? Mensch bleibt Mensch, egal welche Neigungen er hat, nicht wahr? In der Klasse 1a haben wir auch ein Mädchen, dass bei seinen beiden Müttern aufwächst.“
    Mir fiel eine zentnerschwere Last von den Schultern. Am liebsten wäre ich ihr vor lauter Dankbarkeit um den Hals gefallen.
    Nachdem wir die Anmeldeformulare unterschrieben hatten, machten wir uns auf den Weg in den Klassenraum. Frau Meyer-Riegen war so nett und begleitete uns dorthin. Sie nahm

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