Stachel der Erinnerung
keine andere Möglichkeit. Wie oft hatte er sich diesen Satz seit dem vergangenen Abend vorgesagt. Überzeugt hatte er ihn dennoch nicht. Und das würde er auch nicht, egal, wie oft er ihn laut oder im Geiste wiederholte. Also gab es nur eines – Augen zu und durch. Die Sache ein für alle Mal erledigen.
Er trat durch den Torbogen in die Schmiede. Das Feuer in der Esse brannte bereits, die Werkzeuge lagen fein säuberlich aufgereiht auf der Arbeitsbank. Kaldak schüttete gerade Wasser in ein Steinbecken. Als er Nick bemerkte, stellte er den Eimer zu Boden und blickte ihn abwartend an.
„Ich will ein Schwert“, stieß Nick heraus. „Ein Schwert, das mich unbesiegbar macht.“
Kaldak schwieg. Dann nahm er wieder den Eimer und ging an Nick vorbei zum Brunnen vor dem Haus. Er schüttete das Wasser in das Steinbecken und drehte sich dann gemächlich zu Nick um, dessen Nerven mittlerweile zum Zerreißen gespannt waren.
„Du bist kein Krieger. Was willst du mit einem Schwert?“, erkundigte sich Kaldak.
„Vielleicht bin ich nur deshalb kein Krieger, weil mir die richtige Waffe fehlte. Bisher“, antwortete Nick. „Wenn ich unbesiegbar bin, liegt eine große Karriere als Krieger vor mir.“
Kaldak lachte. „Gute Antwort. Wie ist dein Name?“
„Serre Erikson.“ Nick sah ihn abwartend an.
„Also, Serre, ich schmiede dir ein Schwert – Vorausgesetzt, du bist bereit den Preis zu bezahlen.“
Der Preis. Daran hatte Nick gar nicht mehr gedacht. Im Stillen überschlug er die Barschaft, die er in Serres Geldtruhe gefunden hatte. Aber nachdem er nicht einmal den gegenwärtigen Kurs von Schwertern ohne Special Effects kannte, konnte er Kaldaks Vorstellungen nicht einschätzen.
„Was ist dein Preis?“, fragte er vorsichtig.
Kaldak verschränkte die Arme vor der Brust. „Zuerst lass mich dir versichern, dass ich nicht handle. Der Preis steht fest. Akzeptiere oder geh ohne Schwert. Aber beleidige mich nicht dadurch, zu versuchen den Preis zu drücken. Wir sind hier nicht auf dem Fischmarkt.“
„Einverstanden. Lass hören. Dann sage ich dir, ob ich mir deine Dienste leisten kann.“
Kaldak lächelte und dieses Lächeln jagte Nick eine Gänsehaut über den Rücken.
„Ich schmiede ein Schwert für dich. Und nur für dich. Es macht dich unbesiegbar, aber nicht deinen Nachbarn, nicht deinen Freund, nicht deinen Jarl. Dafür ist es notwendig, dass dich das Schwert erkennt und du einen Eid darauf schwörst.“ Er hielt inne und strich über seinen dünnen Bart. „Um dich zu erkennen, muss das Schwert dein Blut trinken.“
Nick dachte an die Geschichten von Blutsbruderschaften, die er als Junge so oft gelesen hatte. Er musste sich also mit dem Schwert schneiden. Nun, das sollte auch noch zu bewerkstelligen sein.
„Das heißt, du hackst mir den Arm ab?“, fragte er flapsig.
„Nein“, antwortete Kaldak ruhig. „Du tötest mit dem Schwert entweder eines von deinen Geschwistern oder eines deiner Kinder oder Enkelkinder.“
Nick blickte ihn an. Es dauerte ein paar Sekunden, bis er die Ungeheuerlichkeit von Kaldaks Worten wirklich begriff. Aber das war noch nicht alles, denn der Mann fuhr unbeirrt fort: „Du tötest es vor meinen Augen und du lässt mir den Leichnam. Dann gehört das Schwert, das dich unbesiegbar macht, dir. Bis zu deinem letzten Atemzug.“
Die Ruhe, die Ausdruckslosigkeit, mit der Kaldak seine Bedingungen aussprach, brachte Nicks Magen dazu, zu revoltieren. Er schluckte, um das Würgen in den Griff zu bekommen und atmete zweimal tief durch.
Kaldak sah ihn an und ohne Zweifel bemerkte er die Schweißperlen, mit denen sich sein Gesicht überzog. Er musste handeln, und zwar schnell. „Ich habe keine Kinder“, brachte er heraus. „Und auch keine Geschwister.“
„Das ist schade. Dann bekommst du kein Schwert von mir.“ Kaldak wandte sich ab.
Etwas wie Erleichterung breitete sich in Nick aus, aber die nächsten Worte des Schwertmeisters machte sie zunichte. „Frag deinen Vater, ob du nicht doch Geschwister hast. Geschwister, von denen du nichts weißt, und ob diese Geschwister Kinder haben. Dann kommen wir vielleicht doch noch ins Geschäft. Allerdings brauche ich von diesen Kindern zwei, weil das Blut, das euch verbindet, schon sehr dünn ist.“
Nick sah ihn stumm an. Ihm fehlten die Worte, weil sich alles in ihm weigerte, Kaldaks Forderung auch nur zu verstehen, geschweige denn, tatsächlich in Erwägung zu ziehen.
„Was glotzt du so? Ein außergewöhnliches Schwert hat einen
Weitere Kostenlose Bücher