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Stachel der Erinnerung

Stachel der Erinnerung

Titel: Stachel der Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Henz
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richteten sich auf sie und wieder kroch eine Gänsehaut über ihren Rücken. Was war mit diesem Mann nur los? Und was war mit ihr los, denn alle andern blieben von seiner aggressiven Ausstrahlung völlig unberührt und ärgerten sich nur über sein wenig kundenfreundliches Auftreten.
    Berit räusperte sich und die unheimlichen Augen wandten sich ihr zu. „Das Menü von gestern ist bestimmt steigerungsfähig. Ich habe da vollstes Vertrauen in den Küchenchef“, sagte sie aufmunternd.
    „Die einzige Steigerung zu gestern Abend besteht darin, dass es einen Esser mehr gibt“, erwiderte Nick Dayton ungerührt. „Im Angebot sind Fiskeboller nach Hausfrauenart mit Reis und Erbsen.“
    „Verlockend.“ Berit sprach das Wort aus wie eine ansteckende Krankheit. „Reservierung also für zwölf Personen um 19 Uhr.“
    Er gab nicht zu erkennen, ob er sie gehört hatte, sondern verließ den Raum ohne weitere Antwort. Erst jetzt wurde Tessa klar, dass sich mit ihm gegenwärtig dreizehn Personen in diesem Haus befanden. Und sie fragte sich, ob das tatsächlich ein gutes Omen war.
    „Du wolltest wissen, was ich hier will.“ Daria goss sich den dampfenden Tee ein. „Ich kann nicht nur mit Toten in Verbindung treten, ich kann auch spüren, wenn sich das Böse an bestimmten Orten kumuliert.“ Sie wartete bis Tessa übersetzt hatte. „Ich habe 9/11 gespürt, bevor es so weit kam. Ich habe versucht, in New York an Entscheidungsträger zu gelangen, aber ich habe es nicht geschafft, vielleicht ist mein Englisch zu schlecht, vielleicht wollte mir auch niemand glauben. Als Kind habe ich Lockersby gespürt und Tschernobyl. Und viele andere Katastrophen in meinem Umfeld. Immer ballte sich eine negative Kraft zusammen, die dann in einer gewaltigen Eruption losschlug. Vor zwei Wochen habe ich wieder etwas gefühlt, aber es dauerte seine Zeit, bis ich es lokalisieren konnte. Ich sah ein altes Holzschiff und ich sah Eis und Schnee und Wasser. Dass es genau hier ist, das fand ich erst vor drei Tagen heraus, dann machte ich mich auf den Weg.“ Sie schwieg und blickte Tessa an, die versuchte, die Worte zu verarbeiten. „Heißt das, dass du es zwar siehst, aber nicht weißt, wie du es verhindern kannst? Oder was genau passieren soll?“
    Daria nickte langsam.
    „Toll“, sagte Berit. „Und was hilft uns das?“
    „Aber jetzt, wo ihr wisst, dass das Böse hier ist, könnt ihr doch überlegen, was zu tun ist. Ihr könnt euch Verstärkung holen.“ Von einem Moment auf den anderen war alles divenhafte von der Frau abgefallen. Sie wirkte unsicher und hilflos und erweckte den Anschein, gleich in Tränen auszubrechen. „Es muss doch einen Sinn haben, dass ich euch warne.“
    Tessa hob die Brauen. Das Ganze erschien ihr immer unglaubwürdiger. „Welcher Art Verstärkung soll das sein? Exorzisten, Schamanen, FengShui Meister? Und wenn ja, wo nehmen wir die her?“, fragte sie schärfer, als sie eigentlich beabsichtigte.
    „Ich weiß es doch nicht.“ Darias Stimme klang weit weniger schrill als bisher. „Aber ich lüge nicht. Ich will helfen, ich will verhindern, dass Menschen sterben. Das könnt ihr mir doch nicht vorwerfen.“ Sie fuhr mit dem Handrücken über ihre Augen und verwischte damit den Kajal bis in ihren Haaransatz.
    Tessa blickte zu Berit. Sie wusste nicht weiter. Vielleicht war die Frau keine Betrügerin, sondern einfach verrückt. Oder auf einem „Ich rette die Welt“ Trip.
    „Können wir sie irgendwie loswerden?“, fragte Berit ungeniert. „So, dass sie keinen weiteren Ärger mehr macht?“
    „Wir könnten sie wegschicken mit dem Auftrag, einen Schamanen oder so was zu finden. Allerdings sind wir mit ihr geschlagen, bis die Flugzeuge wieder starten“, entgegnete Tessa, während sich Daria lautstark die Nase putzte.
    „Die Idee ist gut. Und bis dahin beschäftigen wir sie irgendwie.“ Sie nahm die Ketten, die sie beiseitegeschoben hatte. „Frag sie, ob sie etwas spürt, wenn sie sie berührt. Damit vermitteln wir, dass wir ihr glauben und sie ernst nehmen.“
    Daria nahm die Ketten und ließ sie durch die Finger gleiten. „Sie wurden gereinigt.“ Keine Frage, eine Feststellung. „Die Spuren sind vernichtet, ich spüre nichts …“ Ihr Zeigefinger fuhr über die Runen auf der Schelle und ihre Lippen begannen sich zu bewegen, formten Worte, die in schnellem Stakkato die Stille im Raum zerrissen.
    Tessa und Berit starrten sie an. Ihre Augen waren blicklos ins Nichts gerichtet. Sie wirkte wie eine Blinde, die eine

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