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Stachel der Erinnerung

Stachel der Erinnerung

Titel: Stachel der Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Henz
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stapfte Tessa zur Eingangstür. Sie war nicht verriegelt, das bedeutete, dass Meldis keine Gefangene war. Vorausgesetzt, sie befand sich tatsächlich im Inneren des Hauses und lebte noch.
    Die Tür knarrte, als Tessa sie aufstieß. Die Flammen der Feuerstelle in der Mitte des Raumes flackerten durch den Luftzug und spendeten etwas Helligkeit. Nachdem sich ihre Augen an das Zwielicht gewöhnt hatten, entdeckte sie auf einer Liegestatt an der Wand des Hauses eine schlafende Gestalt. Sie eilte hinüber und erkannte Meldis. Hin und hergerissen zwischen der Erleichterung, dass sie das Mädchen lebend wiedergefunden hatte und der Frage, wie das alles zusammenpasste, sank sie neben der Liegestatt auf den Boden.
    Unter den Fellen lugte ein Bein mit einem dicken Verband über dem Knöchel hervor. Wenn Verband das passende Wort für schmutzige, kreuz und quer gewickelte Leinenstreifen war. Egal, im Moment wollte sie nicht darüber nachdenken, da sie Meldis gefunden hatte und es ihr gut ging. Mit einer fürsorglichen Geste breitete Tessa ein Stück Fell über das nackte Bein und legte ihre Hand leicht auf die Stirn des Mädchens. Kühl und trocken. Der erste Eindruck hatte also nicht getrogen.
    Ihr Magen knurrte in der Stille laut und vernehmlich. Erst jetzt fiel ihr auf, dass sie schon seit Stunden nichts mehr gegessen hatte.
    Im Kessel neben der Feuerstelle schwammen in einer klaren Flüssigkeit ein paar Rüben und ein Stück Fleisch. Sie schnupperte daran, konnte aber nichts Verdorbenes entdecken.
    Tessa hob den Kessel mit einiger Mühe hoch und hängte ihn an die Eisenkette über der Kochstelle. Dann schürte sie das Feuer, bis die Flammen hoch züngelten, und suchte nach einem Holzlöffel, um die Suppe umzurühren.
    Die Einrichtung in der Hütte war wesentlich einfacher als bei Arne. Sie fand zwar den Löffel, aber es gab nur zwei Holzschüsseln und einen Tonbecher. An der Wand hing eine einsame Eisenpfanne. Allerdings lagen zahlreiche Messer in den verschiedensten Größen herum.
    „Alva.“ Meldis helle Stimme verriet ihr Erstaunen. „Hat dich Kaldak also doch gefunden.“ Sie setzte sich gähnend auf und lehnte den Rücken an die Holzwand.
    „Kaldak? Der Schmied?“ Tessa kam näher und ließ sich neben ihr nieder.
    Meldis nickte. „Ja, er hat mich gefunden, nachdem du mich im Stich gelassen hast und ich mir das Bein verletzt habe.“
    Tessa starrte sie aus weit aufgerissenen Augen an. Sie sollte Meldis alleine gelassen haben? Mühsam versuchte sie einen unverfänglichen Satz zu formulieren, aber das Mädchen kam ihr zuvor. „Kannst du dich etwa nicht mehr erinnern?“, fragte sie spitz. „Wir hatten einen Streit. Du wolltest unbedingt zurück zu meinen Eltern. Du wolltest, dass ich Serre heirate. Du hast auf mich eingeredet, was er nicht für ein guter Ehemann werden würde. Und das, obwohl du weißt, wie sehr ich mich vor ihm fürchte.“ Meldis sah sie finster an. „Als ich abgelehnt habe, bist du vollkommen närrisch geworden und wolltest keinen Schritt mehr weitergehen. Da habe ich mich eben allein aufgemacht. Und mir bei einem Sturz das Bein verletzt. Ich hatte so starke Schmerzen, dass ich nicht mehr gehen konnte und hilflos unter einem Baum kauerte. Wenn Kaldak mich nicht gefunden hätte …“ Sie ließ den Satz unvollendet, aber der Vorwurf war deutlich.
    „Hast du ihn nach mir geschickt?“ Das würde bedeuten, dass sich Meldis trotz allem um sie Sorgen gemacht hatte.
    „Ich dachte, dass es dir womöglich ebenso geht wie mir“, sagte Meldis, sichtlich widerstrebend, dieses Eingeständnis machen zu müssen. „Dass du irgendwo liegst und Hilfe brauchst.“
    Ohne nachzudenken, drückte Tessa das Mädchen an sich. „Danke, ich danke dir von ganzem Herzen.“
    „Schon gut.“ Meldis wand sich aus der Umarmung. „Aber du wirst mich zu Solveig begleiten, sobald ich wieder gehen kann. Und ich will nichts mehr davon hören, dass wir umkehren.“
    Tessa nickte. Ihr war es ohnehin unbegreiflich, wie Alva sich derart seltsam verhalten konnte. „Ich begleite dich zu Solveig. Versprochen.“
    Die Suppe duftete mittlerweile verlockend und Tessa stand auf, um die beiden Teller zu füllen. „Dieser Kaldak ist nicht gerade gesprächig“, meinte sie dabei.
    „Ja, aber er hat sich um mich gekümmert.“ Meldis rührte in ihrer Suppe. „Er sieht eigenartig aus, findest du nicht? Ich habe noch nie jemanden wie ihn getroffen.“
    Tessa überlegte und kam zu dem Schluss, die Sache nicht überzubewerten. „Ja,

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