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Stachel der Erinnerung

Stachel der Erinnerung

Titel: Stachel der Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Henz
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versuchte so gut es ging, ihre Worte zu ignorieren. Stattdessen konzentrierte sie sich auf die Herausforderung, mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln eine wohlschmeckende Mahlzeit auf den Tisch zu bringen. Kaldak blieb ihr gegenüber weiterhin schweigsam, allerdings kümmerte er sich geradezu rührend um Meldis, wechselte täglich den Verband und sogar mehr Worte als nötig mit ihr. Als er von einem Jagdzug nicht nur mit einem Hasen, sondern mit einem Strauß Wiesenblumen zurückkehrte, wurde Tessa der Ernst der Lage bewusst.
    Nachdem sie eine Woche unter Kaldaks Dach verbracht hatten, setzte sich Tessa neben Meldis auf die Bank. „Dein Bein ist wieder heil. Wir können weiter“, sagte sie ohne Umschweife.
    „Ich will nicht“, antwortete Meldis. „Mein Bein schmerzt noch immer. Ich kann bestimmt nicht weit gehen.“
    „Blödsinn“, schnaubte Tessa.
    Meldis zuckte die Schultern und lächelte Kaldak zu, der mit einem Eimer zum Bach ging. „Gut, dann will ich eben hier bleiben und mein Bein schmerzt nicht. Alva, das ist doch die Lösung. Ich brauche gar nicht zu Solveig. Ich bleibe hier und werde Kaldaks Frau.“ Sie sah Tessa triumphierend an. „Wenn ich verheiratet bin, kann Serre sich auf den Kopf stellen, er kriegt mich nicht! Und hier finden sie mich doch gar nicht.“ Ohne auf Tessas mangelnde Begeisterung zu achten, fuhr sie fort: „Die Götter haben sich bestimmt etwas dabei gedacht, als sie mich hierher geführt haben.“
    Dass jetzt sogar die Götter bemüht wurden, machte Tessas Laune nicht besser. „Das heißt du willst dein Leben hier …“, sie machte eine ausholende Handbewegung, „… verbringen.“
    „Ja, natürlich. Nicht nur ich, auch du.“
    Diese einfache Feststellung ließ Tessas Blut gefrieren. Aber da Alva das persönliche Eigentum von Meldis war, konnte daran nicht gerüttelt werden. Die Sklavin hatte dort zu sein, wo die Herrin war. Die Suche nach der Maske, die der Schlüssel zu allem war, rückte in weite Ferne.
    Tessa seufzte hörbar. „Was, wenn er dich nicht will?“, fragte sie pro forma.
    Meldis lachte. „Er will mich, keine Sorge.“
    „Und er ist nicht zu groß und stark?“ Diesen Seitenhieb konnte sie sich nicht verkneifen.
    „Er ist nicht jähzornig“, antwortete Meldis.
    Oder er hat bisher keinen Grund gehabt, jähzornig zu werden, dachte Tessa. Daran erinnerte sie sich, als sie wenig später in die Schmiede trat, wo Kaldak mit nacktem Oberkörper ein Stück rauchendes Eisen mit dem Hammer bearbeitete. Sein Haar war lose im Nacken zusammengebunden und Schweiß floss in Strömen über seinen Körper.
    Sie beobachtete ihn eine Weile, ohne dass er es merkte. Die Geschmeidigkeit in seinen Bewegungen täuschte über den Kraftaufwand hinweg. Die gewaltigen Muskeln in seinen Oberarmen spannten sich bei jedem Schlag aufs Neue, der Rhythmus hatte etwas Hypnotisierendes. So musste Hephaistos, die griechische Entsprechung zu Wieland, dem nordischen Gott der Schmiedekunst, ausgesehen haben.
    Kaldak bemerkte sie und ließ den Hammer sinken. Als Rechtfertigung für ihr Erscheinen hatte sie ein stumpfes Messer mitgebracht, das sie ihm jetzt hinhielt. Er nahm es und prüfte die Klinge mit dem Daumen.
    Tessa fasste sich ein Herz. „Meldis ist versprochen.“
    Er hielt mitten in der Bewegung inne und sah sie an. „Warum ist sie dann hier?“
    Das war so ziemlich der längste zusammenhängende Satz, den er je zu ihr gesprochen hatte, und er übertraf diesen Rekord mit seinen nächsten Worten. „Wenn der Mann, dem sie versprochen ist, nicht dafür sorgen kann, dass sie an seiner Seite bleibt, warum sollte mich das dann kümmern?“
    Sein Daumen fuhr erneut über die Klinge, aber seine Augen waren auf Tessas Gesicht geheftet. Sie schob das Kinn vor, um Selbstsicherheit zu demonstrieren, spürte aber gleichzeitig, wie sie errötete. „Meldis ist etwas Besseres gewöhnt, als … als … das hier“, brachte sie schließlich heraus.
    Er legte das Messer achtlos beiseite, trat auf sie zu und stützte die Hände links und rechts von ihrem Kopf an der Wand auf. Tessas Herz klopfte bis zum Hals. Sie hatte nicht die geringste Ahnung, was das bedeuten sollte, aber als sich seine Lippen zu einem langsamen Lächeln verzogen, das nicht den allerkleinsten Anflug von Erheiterung besaß, wurde ihr doch etwas mulmig zumute. Die Zurschaustellung von männlicher Überlegenheit in dieser Zeit konnte einem wirklich den letzten Nerv rauben.
    Das scharf geschnittene Gesicht beugte sich näher

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