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Stachel der Erinnerung

Stachel der Erinnerung

Titel: Stachel der Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Henz
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beteuert, aber sie hatte mit angesehen, wie er sie tötete. Also konnte das Lamento nur von Serre stammen. Kein Wunder, wenn man bedachte …
    „Ach, du bist ja tatsächlich wieder zu uns zurückgekehrt.“ Daria lehnte an der Eingangstür und kam – umflattert von violettem Chiffon mit glitzernden schwarzen Ornamenten – auf sie zu, sobald ihr alle die gebührende Aufmerksamkeit geschenkt hatten. „Genau, wie ich gesagt habe. Du wirst von ganz alleine zu uns zurückkommen.“ Sie setzte sich neben Tessa, die im Augenblick froh war, dass Berit nicht verstand, was das Medium sagte.
    „Ich habe Durst. Bringst du mir etwas, Ni … ck?“, fragte Daria mit dem Augenaufschlag eines frisch geschlüpften Kükens. Nick erwiderte ihren Blick standhaft, erhob sich aber schließlich doch und verschwand in der Küche.
    „Erzähl, wo warst du?“, erkundigte sich Daria interessiert und Tessa breitete ihre Geschichte aufs Neue vor ihr aus.
    „Faszinierend“, kommentierte das Medium ein ums andere Mal und griff nach dem Krug Orangensaft, den Nick auf den Tisch gestellt hatte. „Dazu würde doch das Klagelied der verlorenen Seele passen, die sich mir bei der Suche nach dir in den Weg gestellt hat. Wir werden schon Klarheit in die Sache bringen.“
    Tessa versuchte, den letzten Satz nicht als Drohung zu verstehen, aber sie wurde eines Besseren belehrt, sobald Daria das Glas Saft getrunken hatte. „Wir rufen diese Seele, sie soll uns sagen, was sie will und wie wir helfen können.“
    „Helfen?“, wiederholte Tessa verständnislos.
    „Natürlich. Deine Reise hatte einen tieferen Sinn, verstehst du das nicht? Jemand will auf sein unerfülltes Schicksal aufmerksam machen, damit wir ihm zu ewigem Frieden verhelfen.“
    Diese Theorie konnte man zwar diskutieren, aber ganz bestimmt nicht mit Daria. Sie war von dem überzeugt, was sie sagte.
    Nick hatte sich zu Berit gebeugt und übersetzte, während Tessa die dick mit schwarzem Kajal umrandeten Augen ihrer Nachbarin anstarrte und unwillkürlich überlegte, wie sie wohl ungeschminkt und mit natürlicher Haarfarbe aussah.
    „Nicht halb so gut.“ Daria lächelte und Tessa wurde rot. Mit einer fahrigen Bewegung wischte sie imaginäre Krümel von der Tischplatte. Fantastisch. Nicht einmal mehr ihre Gedanken gehörten ihr.
    Der freie Sessel an ihrer Seite wurde zurückgezogen und Hendrik ließ sich darauf fallen. Tessa zuckte zusammen, weil sie ihn gar nicht bemerkt hatte. „Hallo“, quetschte sie heraus und rückte unwillkürlich näher zu Daria.
    „Was bin ich froh, dass es dir gut geht.“ Seine Stimme klang müde und er sah aus, als wäre er gerade vom Totenbett auferstanden. „Wir müssen reden.“ Er legte seine Hand auf ihren Arm. Tessa blickte so lange darauf, bis er sie schließlich wieder wegnahm. Dann hob sie den Kopf und sagte so kühl, wie sie konnte: „Ich wüsste nicht worüber.“
    „Tessa …“
    Was immer er vorbringen wollte, Daria ließ nicht zu, dass ihr die Aufmerksamkeit der Anwesenden so leicht entglitt. „Freunde“, rief sie laut und der Saftspiegel im Glaskrug kräuselte sich. „Wir suchen die verlorene Seele. Sie soll sich uns mitteilen.“
    Die Begeisterung der Runde ließ deutlich zu wünschen übrig. Das beeindruckte Daria jedoch überhaupt nicht. Mit einer herrischen Geste streckte sie die Arme aus und bedeutete den anderen, sich ebenfalls an den Händen zu fassen. Tessa nahm widerstrebend die linke von Hendrik, Hendrik griff nach der von Nick, und Berit musste seine und die Hand von Daria festhalten, um den Kreis zu schließen.
    Daria nickte zustimmend. „Sehr gut. Ich werde die Seele rufen und sie wird durch mich sprechen, keine Angst, das ist wirklich ganz einfach. Nichts Schlimmes wird passieren, niemand muss sich fürchten.“
    Tessa versuchte zu verhindern, dass diese Worte in ihr genau das Gegenteil von dem auslösten, was sie auslösen sollten. Aber das mulmige Gefühl war da und wollte nicht verschwinden. Ihre Hand in der von Daria wurde feucht. Sie atmete ruhig und kontrolliert. Das Letzte, was sie jetzt brauchte, war eine Panikattacke vor Publikum. Sie seufzte unhörbar und schloss die Augen.
    Das war ein Fehler. Denn sofort wirbelten leuchtende Spiralen um sie herum. Sie ließ Darias und Hendriks Hand los. Das war der zweite Fehler, denn sie fiel und fiel und fiel …
    Zitternd öffnete sie die Augen. Sie stand aufrecht am helllichten Tag irgendwo im Freien. In einiger Entfernung hörte sie Stimmen, Gelächter, Musik und blickte

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