Stachel der Erinnerung
ich mein
Offizierspatent nicht mit reinem Gewissen aufgeben.«
»Ich
verstehe, daß deine Treue sehr tief geht, Matthew, und ich bin darüber auch
sehr stolz. Allerdings ist der Posten eines Kapitäns auf einem Schiff inmitten
einer Seeschlacht ein äußerst gefährlicher Ort. Du bist mein einziger noch
verbliebener Erbe. Ich kann es mir nicht leisten, dich zu verlieren – Pflicht
hin oder her.«
»Du weißt,
wie ich darüber denke, Vater. Wir haben schon mehrmals über dieses Thema
gesprochen.«
Der ältere
Mann seufzte. »Ja ... nun ja, wie es auch sei, im Augenblick ist das nicht das
Thema, über das ich mit dir sprechen möchte. Das Thema, das mir am Herzen
liegt, betrifft mein Mündel. Es ist auch der Grund, warum ich ihr erlaubt habe,
sich mit angeblichen Kopfschmerzen, die sie sicher nicht hatte, in ihr Zimmer
zurückzuziehen, obwohl der Abend noch jung ist.«
Der Marquis
bedeutete Matt, sich wieder zu setzen. Er ließ sich ihm gegenüber in einen
bequemen Sessel fallen. Dann beugte er sich vor und holte eine Zigarre aus
einer Rosenholzschachtel, die auf einem kleinen Tisch zwischen ihnen stand.
»Möchtest
du dich auch bedienen?« fragte er und deutete auf die Schachtel, doch Matt
schüttelte den Kopf und nippte statt dessen an seinem Brandy.
Sein Vater
hielt die Zigarre unter seine gerade, aristokratische Nase, die der von Matthew
so ähnlich war, und atmete tief den Duft des teuren Tabaks ein. »Wie ich schon
sagte, verstehe ich sehr gut, daß du Verpflichtungen zu erfüllen hast, ehe du
nach Belmore zurückkehren kannst. Aber Tatsache ist, nachdem Richard nicht mehr
lebt, hast du außer deinen Pflichten England gegenüber auch noch andere
Verpflichtungen, die genauso wichtig sind und die du bedenken solltest.« Der
Marquis schnitt das Ende der Zigarre mit einer silbernen Zange ab. Matt hielt
einen Fidibus in das Kaminfeuer, dann zündete er seinem Vater die Zigarre an.
»Das
Herrenhaus von Seaton gehört bereits dir«, sprach der Marquis weiter und paffte
eine kleine Rauchwolke in die Luft. »Belmore mit all seinen Ländereien wird
ebenfalls bald dir gehören.«
»Sag so
etwas nicht, Vater. Du wirst noch jahrelang die Geschäfte führen. Es ist nicht
nötig ...
»Hör mir
zu, mein Sohn. Ich bin ein alter Mann, ich habe meine Gebrechen, und ich bin
müde. Ich würde dir schon morgen die Zügel von Belmore übergeben, wenn du zu
Hause wärst und bereit, meine Geschäfte zu übernehmen. Die Verantwortung liegt
schwer auf meinen Schultern. Für diese alten Schultern wird sie langsam zu
schwer – ich bitte dich um deine Hilfe, Sohn.«
»Aber
natürlich, Vater. Ich werde dir helfen, so gut ich kann.«
Der alte
Mann lehnte sich in seinen Sessel zurück und zog genüßlich an seiner Zigarre.
Einige Kerzen auf dem Tisch warfen ihren Schein auf sein silbernes Haar.
»Wie ich
schon sagte, du und Jessica, ihr seid die Zukunft von Belmore. Ganz einfach
ausgedrückt – ich möchte, daß ihr beiden heiratet.«
»Was?«
Matthew sprang auf. »Vater, das ist doch absurd.«
»Ist es
nicht. Du hast das Mädchen heute abend gesehen. Es gibt kein weibliches Wesen
auf dieser Welt, das bezaubernder ist als sie. Sie ist intelligent und
charmant. Und sie liebt Belmore Hall genausosehr wie du.«
Matt biß
fest die Zähne zusammen und bemühte sich, ruhig zu bleiben. »Vater, ich kann
ganz unmöglich dein Mündel ehelichen. Ich bin doch fast verlobt. Lady Caroline
und ich sind uns einig. Wir kennen einander seit unserer Kinderzeit, und es
steht schon sehr lange fest, daß wir beide heiraten werden.«
»Ja ...
seit der Zeit, als ich dich zu meinem Erben eingesetzt habe. Wäre der Titel
nicht an dich gegangen, hätte sie dich wahrscheinlich gar nicht genommen.«
Matt
antwortete ihm nicht darauf. Mit seiner Behauptung hatte sein Vater leider
nicht ganz unrecht.
»Warum bist
du so entschlossen, Lady Caroline zu heiraten?« fragte er jetzt.
»Jeder Mann
würde sie heiraten wollen. Caroline Winston hat alles, was ein Mann sich an
einer Frau nur wünschen kann – sie kommt aus einer guten Familie, sie hat Geld
und ist von hoher Herkunft. Sie ist wohlerzogen, und sie ist außergewöhnlich
attraktiv. Unsere Wesen gleichen einander, und ihr Vater wird sie mit einer
Mitgift ausstatten, die ein kleines Vermögen ist – einschließlich des Gutes,
das gleich neben Belmore liegt. Die ganze Angelegenheit ist so gut wie
beschlossen.«
»Aber sie
ist nicht endgültig. Du hast noch nicht um sie angehalten, und ich bitte
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