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Stachel der Erinnerung

Stachel der Erinnerung

Titel: Stachel der Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kat Martin
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hatte. Sie hatte wichtigere Dinge zu tun, als
einem Stutzer wie Strickland nachzutrauern.
    Draußen war
es gerade hell geworden, die ersten Strahlen der Sonne fielen ins Zimmer.
Jessie nahm sich den Morning Chronicle von einem Tisch in der
Eingangshalle. Die Zeitung war vom Vortag, weil sie erst mit der Postkutsche
von London kam. Mit der Zeitung in der Hand ging Jessie in die Küche. Ein
großer eiserner Topf stand auf dein Herd mit den acht Kochstellen, und der
Duft frischer Weizenmehlkuchen aus dem Ofen stieg ihr in die Nase. Der
köstliche Geruch erinnerte sie immer wieder daran, was für ein Glück sie hatte,
ihren Magen füllen zu können. Nie mehr wachte sie jetzt hungrig auf, um einem
weiteren bitteren Tag entgegenzusehen.
    Jessie
winkte der Köchin, Mrs. Tucker, zu und begrüßte auch Nan und Charlotte, ihre
Helferinnen, die schon dabei waren, das Essen für den heutigen Tag
vorzubereiten. Dann warf sie einen Blick in die Zeitung. Sie las die Überschriften,
als sie zum Tisch hinüberging: Französisches Geschwader erreicht Westindien. Etwas kleiner gedruckt stand darunter: General Nugent erklärt, daß
Jamaica nicht der Gefahr einer Invasion ausgesetzt ist.
    Sie ließ
sich auf eine der Bänke nieder. Ihre ganze Aufmerksamkeit galt den Berichten
in der Zeitung.
    »Ihr
interessiert Euch wohl für das Geschehen in der Welt, Mistress Fox?« Die tiefe
Stimme des Kapitäns ertönte vom anderen Ende des langen Tisches.
    Jessies
Kopf fuhr hoch. »Was ... was tut Ihr denn hier?« Ihr Herz machte einen kleinen
Sprung. Seine Worte von gestern abend hallten noch in ihren Ohren. »Ihr solltet
eigentlich noch schlafen.«
    Er sah die
Blässe ihrer Wangen, und es wirkte so, als wolle er etwas sagen. Doch dann
verhärtete sich sein Blick.
    »Es tut mir
leid, wenn ich Euch enttäuschen muß. Ich schlafe kaum länger als bis zur
Morgendämmerung. Die Frage ist eher, was tut Ihr hier? Ich bezweifle, daß mein
Vater von Euch erwartet, in der Küche zu arbeiten.«
    »Wohl
kaum.« Sie blickte mit leisem Schuldgefühl auf die Zeitung. Es war unschicklich
für eine Frau, etwas anderes zu lesen als das Modejournal, das Jessie tödlich
langweilig fand. Sie hob ihr Kinn ein wenig höher. »Um ehrlich zu sein, Euer
Vater hat es nicht gern, wenn ich mit den Dienstboten zusammen bin. Ich sehe
jedoch keinen Grund dafür, ihnen zusätzliche Arbeit aufzubürden, nur weil ich
früher aufstehe als die anderen.«
    »Sehr
rücksichtsvoll, Miss Fox. Den gleichen Gedanken hatte auch ich. Und da wir
beide einer Meinung sind, würdet Ihr mir Gesellschaft leisten?«
    Die Zeitung
in Jessies Hand zitterte leicht. Sie wollte nicht mit ihm zusammen frühstücken.
Nach dem, was er am gestrigen Abend gesagt hatte, wollte sie ihn nie
wiedersehen. Auf der anderen Seite hatte er keine Ahnung, daß sie seine Worte
gehört hatte. Sicher konnte sie sich in ihre Rolle schicken. Sie konnte so tun,
als hätte sich zwischen ihnen nichts verändert.
    Er würde
nicht wissen, daß die grausamen Worte, die er so verächtlich ausgespuckt hatte,
ein Stück aus ihrem Herzen gerissen hatten.
    Sie
betrachtete sein kantiges, glattrasiertes Gesicht und sah, wie das Sonnenlicht,
das durch das Fenster fiel, sein Haar golden schimmern ließ. Er hatte schon
immer gut ausgesehen, doch in den letzten Jahren hatte er eine Kraft
entwickelt, eine Charakterstärke, die ihn noch anziehender machte. Sie
brauchte ihn nur anzusehen und in ihrem Magen flatterten Schmetterlinge, und
eine ungewollte Wärme breitete sich in ihrem Inneren aus.
    Ihre
Antwort war schärfer, als sie es beabsichtigt hatte. »Es tut mir leid, aber ich
habe Pläne für den Morgen. Ich habe gerade noch Zeit, einen der Weizenkuchen
zu essen, dann muß ich weg.«
    »Wieder auf
einen Eurer verrückten Ritte, Miss Fox? Sollte das der Fall sein, so hoffe ich
doch, daß Ihr wenigstens auf dem Weg bleibt und nicht querfeldein reitet. Denn
ich denke nicht, daß Ihr oder auch das Pferd einen weiteren Unfall wie den von
gestern unbeschadet überleben würdet.«
    Sanfte Röte
stieg bei seinen Worten in ihre Wangen. »Ich versichere Euch, Mylord, daß das
nicht die übliche Art ist, wie ich mich fortbewege.« Doch davon schien er nicht
überzeugt. Und sie wiederum hatte nicht die Absicht, ihm zu verraten, daß sie
einer Freundin geholfen hatte und deshalb so eilig und spät dran gewesen war.
Bei der Geburt eines Babys zu helfen war kaum die passende Beschäftigung für
ein unverheiratetes Mädchen. Er würde ihr das lediglich als

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